Goldschmiedemeister Rainer Fein über die Zukunft des Schmucks

Das deutsche Gold- und Silberschmiedehandwerk ist als Kulturerbe geschützt – ein großer Schritt im Bestreben, dem ehrenwerten Handwerksberuf zu neuem Glanz und Bedeutung zu verhelfen. Warum das für die Branche wichtig ist, erzählt Goldschmiedemeister Rainer Fein im Interview.

Links: Goldschmiedemeister Rainer Fein bei der Anfertigung eines Rings. ©

Im März 2025 wurde das deutsche Gold- und Silberschmiede-Handwerk zum immateriellen UNESCO-Kulturerbe in Deutschland ernannt. Eine Ehrung, für die der Zentralverband der Deutschen Silberschmiede und Goldschmiede e.V. lange gekämpft hat. Warum diese Entscheidung so wichtig und bedeutungsvoll ist, hat Rainer Fein gegenüber Insight Luxury in einem exklusiven Interview erklärt.  Es ist eine Geschichte über die Liebe zu einem Jahrtausende alten Traditionshandwerk, aber auch eine Geschichte über Ambitionen, Talent und Chancen für die Zukunft.

Lesen Sie hier den Leitartikel zum Thema: Das Gold- und Silberschmiedehandwerk ist immaterielles Kulturerbe

Über Rainer Fein

Rainer Fein ist Goldschmiedemeister und engagiert sich ehrenamtlich für den Zentralverband der Deutschen Silberschmiede und Goldschmiede e.V. sowie für die Nachwuchsförderung für junge Goldschmiede-Lehrlinge. Seine Ausbildung begann er 1966 mit 16 Jahren in Wiesbaden und zog 1970 nach seiner Meisterprüfung nach Stuttgart, wo er 40 Jahre lang erfolgreich als Goldschmied arbeitete, bevor er sich zur Ruhe setzte und seine Werkstatt an eine Nachfolgerin übergab. Durch sein ehrenamtliches Engagement in der Öffentlichkeitsarbeit für den Zentralverband blickt Rainer Fein nun auf mehr als 50 Jahre in der Schmuckbranche zurück.

IL: Herr Fein, heute ist das Goldschmiedehandwerk zulassungsfrei. Man benötigt keine Meisterpflicht für den Beruf. Jeder kann ihn ausüben. Doch zu Ihrer Zeit war das nicht so …

RF: Das stimmt. Zu meiner Zeit hatte ein Juwelier eine Goldschmiedewerkstatt und der Ausbildende war ein Meister. Das ging dann bis in die frühen 2000er-Jahre so. Durch einen Beschluss der Bundesregierung wurde 2004 die Meisterpflicht abgeschafft und das Goldschmiedehandwerk von Klasse A in Klasse B1 heruntergestuft. Man hat sich davon mehr Unternehmensgründungen versprochen und einen leichteren Eintritt in das Handwerk. Doch leider ist genau das Gegenteil eingetreten. Viele Berufe waren von dieser Verordnung betroffen, zum Beispiel Tapezierer, Schneider und Fliesenleger. Das hat dem Handwerk sehr geschadet. Wir hatten im Grunde sofort nach der Entscheidung ein Drittel weniger Ausbilder.

Wir hatten im Grunde sofort nach der Entscheidung ein Drittel weniger Ausbilder.

IL: Anstatt neue Berufsanwärter zu motivieren, hat man ihnen also den Anreiz genommen, das Handwerk zu erlernen?

RF: Richtig. Ich selbst habe zu meiner Zeit 17 Goldschmiede ausgebildet, die haben mir alle gesagt: Wenn das jetzt jeder kann, dann mache ich es nicht mehr. Durch die niedrigere Eintrittshürde gibt es ja schließlich auch keinen Schutz vor unqualifizierten Fachleuten, wenn man es vorsichtig ausdrücken möchte.

IL: Was hat die Auszeichnung als immaterielles UNESCO-Kulturerbe damit zu tun?

RF: Wir vom Zentralverband der deutschen Goldschmiede und Silberschmiede kämpfen seit Jahren um die sogenannte Rückvermeisterung. Das heißt, wir wollen, dass unser Handwerk in die Meisterklasse zurückkommt. Vom Wirtschaftsministerium bekamen wir dazu eher gemischte oder gar negative Signale. 

Unser Präsident Michael Seubert und unsere Vizepräsidentin Maren Foryta waren dabei federführend, die kulturelle Bedeutung des Goldschmiedehandwerks zu dokumentieren und seinen Wert zu betonen. Man muss nur in das Grüne Gewölbe in Dresden schauen oder nach Augsburg, wo sehr viele tolle Gold- und Silberschmiedearbeiten gibt. Dadurch zeigt sich: Wir haben eine Historie und die Brücke zu dieser Historie muss in unserem Beruf immer neu geschlagen werden. Es gibt so viele spezielle Handwerkstechniken im Beruf des Goldschmieds, die erhalten werden müssen. Und wenn es unseren Verband, den Meister und die Qualifikation nicht mehr gibt, werden diese Techniken aussterben.

Goldschmiedemeister Rainer Fein erklärt, warum das Goldschmiedehandwerk durch die Herabstufung seinen Reiz für viele potenzielle Lehrlinge verloren hat.

Es gibt so viele spezielle Handwerkstechniken im Beruf des Goldschmieds, die erhalten werden müssen. Und wenn es unseren Verband, den Meister und die Qualifikation nicht mehr gibt, werden diese Techniken aussterben.

IL: Und die Anerkennung als immaterielles UNESCO-Kulturerbe in Deutschland hilft dabei?

Für uns war die Qualifikation als immaterielles Kulturerbe bei der UNESCO Deutschland eine Chance, ein Ass auf den Tisch zu legen und unsere Bedeutung für alle nach außen sichtbar zu beweisen. Wir sind etwas Besonderes, wir sind schützenswert.

Diese Dokumentation, die wir mithilfe von Fachleuten und durch Bilder belegt zusammengestellt haben, hat dann verschiedene Gremien durchlaufen. Es steckt sehr viel Arbeit dahinter. Ich würde sagen, der ganze Prozess hat etwa drei bis vier Jahre gedauert und sehr viele Schleifen durchlaufen.

IL: Was würden Sie sich für die Zukunft des Goldschmiedeberufs wünschen?

RF: Mein großer Wunsch wäre, dass die Qualifikation als Meister beim Beruf des Goldschmieds wieder in den Vordergrund gerückt wird. Es geht schließlich um Qualität und, dass diese für die Endverbraucher dokumentiert wird. 

Ich kann jedem nur raten, sich kundig zu machen und nach einem Meisterbrief zu fragen, die Qualität auf den Prüfstand zu stellen. Denn dadurch hat man weniger Ärger und ist eher zufrieden. Mein Herz hängt an diesem Beruf und ich habe heute noch sehr viel Freude daran, wenn ich mich noch einmal an die Werkbank setze. Diese Freude am Beruf möchte ich auch jungen Menschen mit auf den Weg geben. Der Beruf sollte weiterleben dürfen, die Traditionen sollten weitergegeben werden. Man kann das Alte bewahren und dem Neuen trotzdem aufgeschlossen gegenüber stehen.

IL: Was kann man tun, um junge Leute für eine Laufbahn als Goldschmied zu motivieren?

RF: Ich bin manchmal noch Beisitzer in Gesellenprüfungen und kann aus meiner eigenen Erfahrung sagen: Die jungen Menschen sind viel besser als ihr Ruf! Viele Goldschmiede klagen über Nachwuchsprobleme, aber bilden selber gar nicht aus. Es heißt immer, die junge Generation hätte kein echtes Interesse, aber ich glaube, das trifft höchstens auf 18 bis 20 Prozent der Auszubildenden zu. Die anderen 80 Prozent bemühen sich und denken ernsthaft über ihre Zukunft nach. Die werden in einen Topf geschmissen, in den sie gar nicht gehören. Das ist meine Meinung.

Inspiration für junge Juweliere: Vollendetes Schmuckstück von Goldschmiedemeister Rainer Fein.

IL: Was kann man tun, um den engagierten Nachwuchs mit einem tollen Job in der Branche, bei einem Juwelier oder einem Goldschmied, zu belohnen? Wie findet der Deckel seinen Topf?

RF: Wenn ich mit den jungen Menschen spreche, was ich ja recht oft tue, dann sage ich ihnen, dass man nicht nur gut sein muss, sondern einen Tick besser. Das ist eine Grundvoraussetzung. Ich bin immer der Meinung, dass Mitläufer in diesem Beruf schlechte Karten haben. Aber wenn man sich gut fühlt und weiß, was man tut, dann muss das einem ja auch Selbstbewusstsein geben. Die Motivation, die man persönlich geben kann, tut sehr gut. Man muss auch zuhören und darf nicht nur belehren. So lief es auch mit meiner eigenen Nachfolgerin und dem Zuspruch, den ich ihr geben konnte.

Ich würde sagen, wenn man gut ist, dann findet man heute mehr denn je eine gute Arbeitsstelle, denn viele suchen nach qualifizierten Goldschmieden. Und wer nicht ausbildet, bekommt auch keine Fachkräfte. Was soll den ein Juwelier machen, wenn er einen Ring zu ändern bekommt? Oder wenn eine Kundin kommt und einen Entwurf für ein Schmuckstück mit Smaragd haben möchte? Die kreativen Menschen hinter diesen Schmuckstücken sind die Goldschmiede! Es gibt so viel zu tun. Und darin liegt unsere Zukunft. 

Das Handwerk ist mehr als 5.000 Jahre alt und immer wieder haben Goldschmiede sich etwas einfallen lassen. Das geht heute weiter. Es gibt ja viele neue Möglichkeiten durch Computer und so weiter. Aber dafür braucht man Qualität und diese Qualität bringt der Nachwuchs. Was glauben Sie, wie viele tolle Werkstätten zum Verkauf stehen?

IL: Die Schmuckbranche hat ein Nachfolgeproblem, das stimmt …

RF: Und jemand, der gut ist, springt bei einer Übernahme nicht ins kalte Wasser, sondern ins lauwarme.

IL: Besteht ein großer Teil des Goldschmiedealltags nicht aus Reparaturen und Umarbeitungen?

RF: Es ist ein großer Prozentsatz, ja. Aber es ist auch ein Einstieg. Wenn man ein geliebtes Schmuckstück wieder herrichten kann, dann kommt der Folgeauftrag fast automatisch. Ich habe es in meiner Karriere so oft erlebt und bekomme beim Gedanken daran selbst glänzende Augen: Schmuck ist Emotion! An Schmuck hängen viele Erinnerungen und wenn ich einem Menschen helfe, diesen Schmuck wieder in Ordnung zu bringen, dann kommen die Kunden bei nächster Gelegenheit auch wieder mit besonderen Wünschen zu mir als Goldschmied zurück.

IL: Herr Fein, wir danken Ihnen für das Gespräch.

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