Verkaufsexperte Christian Sieg im Interview: Warum der Weg zum Schmuck über den Juwelier führen sollte

Wie steht es aktuell in der Welt des Schmucks? Welche Wünsche und Bedürfnisse haben Kunden und welche Rolle spielt der Juwelier bei der Erfüllung dieser Wünsche? Was macht er besser als große Marken und wie profitieren seine Kunden davon? Diese und viele andere Fragen haben wir dem erfahrenen Verkaufsexperten Christian Sieg gestellt.

Links: Verkaufsexperte Christian Sieg. © Handelsvertretung Sieg

Über Christian Sieg

Christian Sieg setzt seine langjährige Expertise für Uhren und Schmuck nicht nur im Außendienst für Chimento ein, sondern unterstützt auch unregelmäßig einen Hamburger Luxusjuwelier im Verkauf von Uhren und Schmuck. Beide Seiten seiner Tätigkeit ermöglichen ihm tiefere Einblicke in Strömungen und Entwicklungen in der Branche. Im vorangegangenen Jahr hat er seine eigene Handelsvertretung gegründet. Davor betreute er zahlreiche Führungspositionen bei internationalen Luxuslabels, unter anderem Parmigiani Fleurier, Chopard und Chanel sowie im Schmuckbereich der Porzellanmanufaktur Meissen.

INSIGHT LUXURY: Christian, wie nimmst du die Stimmung im Uhren- und Schmuckmarkt aktuell wahr?
CHRISTIAN SIEG: Im Uhrenbereich spüren wir bei meinem Juwelier derzeit eine gewisse Abkühlung und eine stärkere Nachfrage nach Schmuck. Im vergangenen Jahr lagen beide Bereiche in etwa gleich auf. Wenn ich den allgemeinen Einzelhandel und meine beratende Tätigkeit im Juweliergeschäft anschaue, spürt man, dass die Frequenz zurückgegangen ist. Im Luxusbereich, wo ich ja unterwegs bin, wird aber noch immer eingekauft.

IL: Was sind die Gründe hinter diesem Kaufverhalten? Mit welchen Bedürfnissen kommen die Menschen ins Juweliergeschäft?
CS: Trotz der allgemeinen Stimmung in der Welt wird immer noch anlassbezogen geschenkt. Hochzeitsjubiläen, Verlobungen und Hochzeiten sind nach wie vor Anlässe, die von Schmuck begleitet werden. Das bricht auch durch die negativen Geschehnisse in der Welt nicht ab. Das habe ich weder in meiner Außendienst-Tätigkeit noch im Juweliergeschäft erlebt. Auch wenn es um Memoire-Ringe zur Geburt des ersten Kindes oder ähnliches geht. Es wird nichts hinten angestellt. Das Leben geht weiter.

Hamburg: Die Stadt an der Elbe ist ein Pflaster für luxuriöse Juweliere, Schmuck- und Uhrenmarken. Hier unterstützt Christian Sieg einen familiengeführten Juwelier im Verkauf. © Moritz Kindler/ Unsplash.com

IL: Ist der Konsum von Schmuck und Uhren ohne konkreten Anlass gesunken?
CS: Mein persönlicher Eindruck, auch nach Gesprächen mit Juwelieren: Ja, die Menschen, die sich vorher im Alltag hin und wieder ohne Anlass etwas gegönnt haben, tun das zur Zeit seltener. Aber verschwunden ist es nicht. Es kommen immer noch Menschen ins Geschäft, die sich selbst etwas Schönes kaufen, weil sie beispielsweise eine Gehaltserhöhung bekommen haben oder sich einfach für etwas belohnen möchten.

IL: Es soll ja auch Frauen geben, die sich ausschließlich selbst den Schmuck kaufen, weil sie ganz genau wissen, was sie wollen. Erlebst du das auch so?
CS: Ja, das erlebe ich genau so – und es kann ganz unterschiedliche Gründe haben. Manche Kundinnen haben keinen Partner und beschenken sich selbst, manche kommen mit ihrem Partner ins Geschäft und beschreiben genau ihren Wunsch – eine Woche später folgt dann die Bestellung vom Partner. 

IL: Wie gut sind die Kunden beim Juwelier im Allgemeinen vorinformiert? Wenn ein gutes Verhältnis besteht, dann weiß ein guter Juwelier wohl schon, in welche Richtung es gehen soll...
CS: Ja, das stimmt. Es gibt Kundschaft, die schon vorinformiert ist und dann beim Kauf einfach ihren Bedarf deckt und es gibt Kundschaft, die dem guten Namen des Juweliers vertrauen und sich auf etwas einlassen, das sie dann aufgrund von Qualität und Preis-Leistung zufrieden stellt. Viele fühlen sich beim Juwelier besser aufgehoben als in Monobrand-Boutiquen von namhaften Unternehmen. 

Verkaufsexperte Christian Sieg von Handelsvertretung Sieg.

Viele fühlen sich beim Juwelier besser aufgehoben als in Monobrand-Boutiquen von namhaften Unternehmen. 

Christian Sieg

IL: Was macht einen Juwelier besser als eine Marke, die einen eigenen Store für ihre Produkte betreibt?
CS: Der Juwelier wird als langjähriger Marktteilnehmer wahrgenommen, als eine exzellente Anlaufstelle, um einen Bedarf zu wecken und zu decken – und das auch im Vergleich zu den renommiertesten Mitbewerbern. Gerade wenn es um Angebote für Solitaire-Ringe geht, hat der Juwelier, für den ich arbeite, einen guten Ruf, denn er kann Top-Steinqualitäten zu anderen Preisen anbieten, als das große Marken tun. Dafür wird er auch geschätzt.

IL: Menschen, die Preise vergleichen, sprechen für eine aufgeklärte Kundschaft. Wieso kann ein Juwelier ein hochwertiges Produkt vergleichsweise günstiger anbieten als eine namhafte Schmuckmarke? Verzichtet der Juwelier hier auf eine besonders gute Marge?
CS: Ich habe mir diese Frage tatsächlich auch gestellt und finde dafür nur eine einzige Erklärung: Die Marge der entsprechenden Marktbegleiter ist recht hoch, denn die Einkaufsmöglichkeiten sind ja recht ähnlich, wenn es um natürliche Diamanten geht. Die kann man in Antwerpen kaufen oder in New York, aber es gibt eben auch gewisse preisliche Benchmarks für Steine. Wenn man klug einkauft und normal kalkuliert, dann kommt man auf einen guten Preis. Das trägt zum guten Ruf bei, den der Juwelier genießt. 

Abgesehen davon ist der Juwelier auch im Markensegment ganz gut aufgehoben –  selbst wenn er keine Namen wie Rolex und Patek Philippe führt. Es sind trotzdem Luxusmarken wie Jacob & Co., IWC, Omega, Breitling und Tudor, die ihn attraktiv machen. 

Verlobungsring: Der Schmuck zum Heiratsantrag ist ein Anlass, der Menschen häufig ins Juweliergeschäft bringt. Die preislichen Unterschiede zwischen den Angeboten von großen Marken und dem Angebot einer Goldschmiedewerkstadt sind jedoch nicht immer bekannt. © Daniel Gutko/ Unsplash.com

IL: Was ist das Aushängeschild eines Juweliers, der sich im Brillantschmuckbereich spezialisiert hat, aber gleichzeitig namhafte Uhrenmarken führt?
CS: Ein Juwelier definiert sich über die Marken, die er führt. Selbst an einem guten Standort und mit großartigem Schmuck, wäre es schwer, als Juwelier bei einer Neueröffnung zu punkten, auch mit einem guten Preis-Leistungs-Verhältnis. Die Menschen verbinden mit einem Luxus-Juwelier ein gewisses Markenportfolio – ohne das ist es leider nun einmal wahnsinnig schwer, gutes Geschäfte zu machen. 

IL: Wie lautet deine Prognose für die Entwicklung im Uhren- bzw. Schmuckgeschäft?
CS: Große Uhren-Marken suchen inzwischen das Heil im Einzelhandel, indem sie eigene Boutiquen aufmachen. Das sorgt bei den Juwelieren, die diesen Marken mit ihrer Arbeit zu ihrer Größe verholfen haben, natürlich für Frust. Denn sie bekommen damit einen direkten neuen Wettbewerber, der möglicherweise besser ausgestattet ist. Neuheiten und limitierte Auflagen werden dann eher in der Boutique verkauft und nicht mehr beim Juwelier.

IL: Welche langfristigen Folgen siehst du bei dieser Entwicklung?
CS: Langfristig wird die Handelslandschaft unabhängiger Juweliere ausgedünnt. Ich bezweifle aber, dass diese Strategie für die Marken aufgeht. Denn, einen Juwelier als Bezugsort für eine größere Auswahl an Marken sollte man nicht unterschätzen.

Aus meiner Erfahrung kann ich sagen, dass viele Interessenten für Uhren und auch Schmuck keinen Markenfetisch haben, sondern gerne eine Auswahl präsentiert bekommen. Man möchte ja auch ein bisschen ausprobieren, was einem steht und kann sich dabei auch von ganz neuen Designs überraschen lassen. Eine Monobrand-Boutique kann das nicht in der Form bieten, wie ein Juwelier es kann.  Deswegen glaube ich, dass langfristig manche Marken zu ausgewählten Juwelieren zurückkehren, weil sie von der Multibrand-Strategie mehr profitieren.

Beispiel Tiffany & Co.: Aufgrund der Bekanntkeit und Beliebtheit der Marke kann Tiffany’s für Verlobungsringe weit mehr verlangen, als es bei einem Juwelier üblich ist. Qualitätsunterschiede gibt es allerdings kaum.

IL: Wie stehst du zu Monobrand-Boutiquen beim Schmuck?
CS: Ich glaube, das dient eher als zusätzliches Schaufenster und dem Prestige, wenn die Boutique an einer beliebten Promenade oder einem zentralen Platz steht. Ein Juwelier kann einfach häufiger aufgrund der gleichwertigen Auswahl seine Kunden an sich binden. Auch hier profitieren der Juwelier und seine Kunden viel mehr von einer vielseitigen Markenlandschaft im Geschäft, aus der man sich etwas Hübsches aussuchen kann.

IL: Wie ist denn deine Sicht auf synthetische Diamanten? Wird das bei deinem Hamburger Juwelier von den Kunden nachgefragt?
CS: Ja, Labordiamanten werden nachgefragt und der Wunsch wird durch Berichterstattung dazu befeuert. Von der Inhaber-Familie gibt es zu den Labordiamanten ein kategorisches Nein. Es um reale, von der Natur geschaffene Werte, hinter denen man stehen kann. Labordiamanten? Auf keinen Fall!

Allgemein gibt es jedoch sicherlich gibt es dafür eine Berechtigung dafür. Vor allem, wenn der Partner oder die Partnerin sich bei einem Antragsring einen großen Stein wünscht, dann kann es schon ein Labordiamant werden, denn er ist einfach günstiger zu haben. Wenn aber die Beziehung einmal auseinandergeht und die Person mit dem Ring zum Juwelier kommt und ihn verkaufen möchte, muss man einfach sagen: Ein im Labor gezüchteter Diamant hat keinen Handelswert und deswegen wird ihn ein Juwelier auch nicht abkaufen. 

IL: Wo kommt dann beim ersten Einkauf eines solchen Schmuckstücks der teure Preis her? Steckt alles im Markenname und im Design?
CS: Das spielt auf jeden Fall eine Rolle. Deswegen ist man immer auf der sicheren Seite, wenn man Schmuck kauft, der direkt aus der Werkstatt eines Juweliers stammt. Wenn ein Geschenk doch nicht so gut ankommt oder passt, wie man sich das vorgestellt hat, kann man sich auf die Kulanz und das vertrauensvolle Verhältnis zum Juwelier verlassen. Er nimmt das Schmuckstück wieder zurück oder bietet eine andere Lösung an – zum Beispiel eine Umarbeitung. Für einen Juwelier ist es kein Problem, die hochqualitativen Materialien wiederzuverwerten und in Form eines neuen Schmuckstücks an einen anderen Kunden zu verkaufen  – etwas, das bei großen Schmuckherstellern gar nicht selbstverständlich ist.

IL: Das heißt, ein “no name” Produkt zu kaufen, lohnt sich?
CS: Natürlich, denn es handelt sich ja trotzdem um ein Luxusprodukt, das mit Expertise, Sorgfalt und von Hand gefertigt wurde. Es hat einen echten Wert und eine emotionale Bedeutung, aber es kostet weit weniger, weil das Prestige einer Marke oder hohe Marketing-Kosten keine Rolle spielen. Was für den Juwelier zählt, sind Vertrauen und eine gute Kundenbindung und die Kunden bekommen echte Qualität für ihr Geld und ein Schmuckstück, an dem sie noch lange Freude haben können, denn es kann ja bei Bedarf auch wieder repariert oder umgearbeitet werden.

IL: Christian, wir danken dir für das Gespräch und die spannenden Einblicke. 

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