Designerin Katharina Heubach im Interview: „Schmuck ist Kommunikation“
Die Schmuckdesignerin Katharina Heubach hat viele renommierte Marken bei der Konzeption und Umsetzung hochwertiger Kollektionen beraten und unterstützt. Im exklusiven Interview mit INSIGHT LUXURY gewährt sie einen Blick hinter die Kulissen der seriellen Fertigung und erklärt, was aus ihrer Sicht ein Schmuckstück wertvoll macht – ganz egal ob Unikat oder Serienprodukt.
Über Katharina Heubach
Katharina Heubach ist Diplom-Schmuckdesignerin und hat in ihrer mehr als 40-jährigen Karriere Serienkollektionen für renommierte Marken wie Meister, Max Kemper, Breuning und die Binder Gruppe (egf Manufaktur, Binder FMB und Binder Jewellery) entworfen.
Im Schwerpunkt der Serienfertigung hat sich die Designerin inzwischen zur Ruhe gesetzt, entwirft aber weiterhin aus Leidenschaft für Schmuck nun Einzelstücke für Privatpersonen.

INSIGHT LUXURY: Frau Heubach, können Sie Ihre Tätigkeit als Designerin großer Marken ein wenig beschreiben?
Katharina Heubach: Meine Tätigkeit als Designerin war schon immer geprägt durch das Spannungsverhältnis zwischen Unikat und Serie. Während meines Studiums standen vor allem das Unikat und der künstlerische Ausdruck von Schmuck im Fokus. Dann hat mich während meiner Diplomarbeit die Firma Meister angesprochen und mein Interesse für das Thema der Serienfertigung geweckt.
Schmuck für Serienfertigung zu entwickeln scheint zuerst widersprüchlich, aber ganz egal, ob es sich um ein Unikat oder ein Serienprodukt handelt: Schmuck steht immer in Wechselwirkung mit dem Menschen. Für mich ist Schmuck Kommunikation. In seiner ursprünglichsten Bedeutung kommuniziert er über Symbole. Ich trage den Schmuck nicht nur für mich selbst, sondern vermittle damit auch immer eine Botschaft für mein Gegenüber.
Natürlich stehen bei einem Schmuckstück, das voll und ganz auf die Individualität seines Trägers abgestimmt ist, andere Gestaltungselemente im Vordergrund als beim Design ganzer Trauring- oder Schmuck-Kollektionen – vor allem bei der Serienfertigung für große Hersteller.

IL: Wie unterscheidet sich Design für industrielle Fertigung von dem eines klassischen Goldschmieds und welche Gemeinsamkeiten gibt es?
KH: Eine ganz klare Gemeinsamkeit ist natürlich die Liebe und Faszination für Schmuck. Unsere Branche hat fast etwas Mystisches. Schmuck hat für mich eine andere Dimension als zum Beispiel Kleidung oder Inneneinrichtung. Es ist die Liebe zu unseren außergewöhnlichen Materialien, zu Edelsteinen und dem kreativen Einsatz für den jeweiligen Kunden.
Natürlich hat ein Schmuckstück, das ein Goldschmied für einen bestimmten Menschen gestaltet und nach allen Regeln seiner Handwerkskunst fertigt, ganz andere Prämissen. Es muss bis ins letzte Detail den Wünschen und Vorstellungen dieses einen Menschen entsprechen – es ist ein Spiegelbild des Menschen, absolut individuell und einzigartig.
Ein seriell gefertigtes Schmuckstück spiegelt die Marke, die Kollektion und den Zeitgeist wider und bietet so einer Vielzahl von Menschen die Möglichkeit, sich mit dem Schmuckstück ihrer Wahl zu identifizieren und es auf individuelle Art und Weise zu präsentieren. Wie bereits erwähnt: Schmuck ist Kommunikation und kann auf unterschiedlichste Weise gelebt werden. Natürlich haben auch die technischen Möglichkeiten der jeweiligen Firmen einen extremen Einfluss darauf, wie so eine Serie gestaltet wird.


Ringe für die Marke acredo.

IL: Was kommt beim Seriendesign zuerst? Der Blick auf die maschinellen Möglichkeiten oder Ihre Entwürfe für Schmuck?
KH: Zuerst muss man wissen: Meine Zusammenarbeit mit Herstellern war immer unglaublich langwierig. Die Basis für die Zusammenarbeit wird schon beim Kennenlernen gelegt, denn es ist die essenzielle Voraussetzung für mich, die DNA meines Auftraggebers erforschen zu können. Ich muss also meine Hausaufgaben machen und die Historie, Kollektionen, Zielgruppen, Fertigungsmöglichkeiten und Alleinstellungsmerkmale kennen. Danach kommen Meilensteine wie Marktanalyse, Trends, eine gemeinsam erarbeitete Vision für die Weiterentwicklung der Kollektionen, die Konkretisierung, Preissegmente, Produktgruppen, die Styles und Materialien. Aus diesen Faktoren entsteht dann ein Briefing, das gemeinsam gestaltet wird.
Das hört sich im ersten Schritt alles ganz schematisch an, aber genau das Gegenteil ist der Fall. Durch die große Vertrauensbasis mit dem Auftraggeber, kann ich nicht nur rational, sondern auch emotional und intuitiv in die Arbeit eintauchen – das war immer eine wichtige Voraussetzung, wenn ich mich für meine kreative Arbeit zurückziehe.

IL: Sind diese Voraussetzungen für Ihre Kreativität eher limitierend oder ein angenehmes Gerüst, an dem man sich entlanghangeln kann?
KH: Sowohl als auch. Es gab auch manchmal Auseinandersetzungen, weil ich Dinge von außen anders sehe als Menschen, die sich schon jahrelang mit einem Bereich auskennen. Aber es ist ein spannendes Miteinander, denn ich bekomme nicht nur Input, sondern gebe ja selbst Input. Wenn ich zurückstecken muss, schmerzt manchmal mein Designerherz, aber eine andere Sichtweise ist auch bereichernd. Und es ist immer wahnsinnig spannend, den Modellbau mit den Teams beim jeweiligen Hersteller umzusetzen.
IL: Wie wird hier gearbeitet? Kommt zuerst ein 3D-Modell oder werden auch echte Materialien verwendet?
KH: Beides. Ich habe immer großen Wert darauf gelegt, direkt in der Produktion zu arbeiten. Das erzielt schon unglaublich viele Resultate, die für die Erstellung der Serie wichtig sind. So kann man in den ersten Schritten schon viele Fehler vermeiden. Ich bekomme ein besseres Gefühl für die Produktion und ein umfangreicheres Wissen, auf das ich bei der nächsten Kollektion zurückgreifen kann. Das macht Spaß, denn die Menschen in der Produktion bringen mir Dinge bei und schlagen mir Lösungen vor, die ich vorher so gar nicht gesehen habe. Und am Ende ein fertiges Schmuckstück vor sich liegen zu haben, ist schon ein tolles Gefühl.

IL: Wie darf man sich den Schaffensprozess in einer Serienfertigung vorstellen?
KH: Speziell bei Trauringdesign können Sie davon ausgehen, dass auf der Qualitätsebene von egf, acredio, Max Kemper oder Meister nichts gegossen wird. Das wird mit CNC-Maschinen gefertigt, die natürlich unglaublich hilfreich sind und vieles möglich machen. So entsteht ein Ringrohling, danach setzen die Goldschmiede, Graveure und Fasser mit ihrer feinen, traditionellem Handwerkskunst an – sie sind das i-Tüpfelchen, ohne sie schließt sich der qualitative Kreis nicht.
IL: Was ist genau Ihre Rolle im Zusammenspiel aus Fräsmaschinen und Goldschmiedearbeiten?
IK: Ich bin für die Ästhetik und den Tragekomfort verantwortlich. Ich stelle Ergebnisse des vorhergegangenen Modellbaus vor, aus denen dann eine Auswahl getroffen wird. Wenn dann noch weitere Schritte in der Produktion notwendig sind, übernehmen das die Techniker. Ich durfte diese Prozesse in der Regel begleiten, konnte so stetig dazulernen und finde diesen Bereich extrem spannend.
Ich möchte noch einmal betonen, wie vertrauensvoll die Zusammenarbeit war, denn es handelt sich hierbei ja auch oft um Firmen-Interna, die nicht nach außen gegeben werden. Sie wurden mühsam erarbeitet und stellen auch Alleinstellungsmerkmale der Hersteller dar.

IL: Waren Sie überrascht von manchen Lösungen, die Hersteller für ihre Produktion gefunden haben?
KH: Überrascht nicht, aber neugierig, denn das Zusammenspiel von verschiedenen Technologien und Prozessen ist unglaublich komplex. Das spannende ist ja, dass viele Hersteller dieselben Maschinen kaufen und auf ähnliche Technologien zurückgreifen. Aber die Maschinen können auf die individuellen Bedürfnisse in der Produktion umgearbeitet werden. Das sind dann Informationen, die Interna bleiben müssen.
Was alles dahintersteckt, bis ein Ring vom Entwurf in die Produktion geht und dann eines Tages fertig und in verschiedenen Größen bei einem Juwelier auf dem Ladentisch liegt, davon kann sich kein Verbraucher so schnell ein Bild machen.
IL: Wie haben sich diese Technologien zur Schmuckfertigung in den letzten Jahren weiterentwickelt?
KH: Es hat sich wirklich unglaublich viel getan. Und es ist auch ein Muss, dass die Hersteller am Ball bleiben. Künstlerische Zeichnungen von Schmuck werden unterstützt durch 3D- und CAD-Programme. Die haben sowohl in Designateliers als auch bei Goldschmieden Einzug gehalten. Gängige CAD-Tools können Entwurfskonzepte darstellen und realistische Renderings zur Ansicht simulieren. Solche Daten ermöglichen dann wieder ganz neue Verfahren für Gusstechniken oder 3D-Druck. Auch Laser-Technologie ist aus unserer Branche überhaupt nicht mehr wegzudenken. Das alles sind Ergänzungen für das feine Handwerk, aber die Technik ist immer nur die Basis.

Brillantring bei acredo.


IL: Ihrer Einschätzung nach: Wie viel in der seriellen Schmuckproduktion passiert maschinell und wie viel davon ist echte Handarbeit?
KH: Das ist schwer zu sagen und variiert natürlich von Hersteller zu Hersteller. Ich würde sagen, es ist 50:50, manchmal liegt der maschinelle Anteil vielleicht auch nur bei 30 Prozent. In der Haute Joaillerie gibt es nur wenig Technik, denn sie lebt natürlich von absolut kunstvollem Handwerk.
Im Trauringbereich schätze ich, dass Technik und Handarbeit sehr gleich verteilt sind. Der Schmuckbereich ist durch die Gusstechnik geprägt, aber ich denke, dass auch dort, das Verhältnis zwischen Handarbeit und Technik relativ ausgeglichen ist.
IL: Gibt es noch etwas, dass Sie gerne über Ihre Arbeit oder über Schmuck erzählen möchten, das man wissen sollte?
KH: Für mich spielen die Zeichen der Zeit immer eine große Rolle und die stehen seit Jahren auf Besinnung und Individualisierung in nahezu allen Bereichen des Lebens.
Es gibt Inhalte, Werte, individuellen Ausdruck, Tradition und Nachhaltigkeit und das sollte ein Schmuckstück authentisch vermitteln – egal ob es sich um ein Unikat oder um Serienfertigung handelt. Es ist mir immer sehr wichtig, über solche Themen und Wünsche mit meinen Kunden zu sprechen, denn dieses Bewusstsein wird zum Schlüssel für die Entscheidung zu einem ganz eigenen und erfüllenden Schmuckstück.

Wenn das meinen Kunden bewusst wird, ist das Schmuckstück – ob Unikat oder in Serie – auch im übertragenen Sinne wertvoll. Diese Erkenntnis hat sich in all den Jahren meiner Tätigkeit für mich herauskristallisiert.
Natürlich geht es auch um Steinqualitäten, Materialien und all diese Dinge, aber das eigentlich Gehaltvolle ist, dass sich der Verbraucher seine ganz eigene, persönliche Schmuckwelt erschließt.