Kolumne: US-Open mit Rolex versus Ironie von Swatch und Raymond Weil

Dass der 39-Prozent-Zoll auf Ausfuhren in die USA die Schweizer Uhrenindustrie in eine prekäre Lage versetzt hat, steht außer Frage. Eine gemeinsame Schweizer Reaktion darauf offenbart bereits überdeutlich die offizielle Exportstatistik.

Bild links: @Robert Deutsch/IMAGO

Von Bekanntwerden Anfang April bis zum Inkrafttreten des Zoll-Hammers ab dem 7. August stand das schnelle Füllen der US-Lager auf dem Programm. Das hat zu bis dahin ungekannten Steigerungen der Schweizer Uhren-Ausfuhren in das Land der unbegrenzten Möglichkeiten geführt.

Darüber hinaus scheint sich jeder Uhrenhersteller seine eigenen Gedanken darüber zu machen, wie man mit der Situation umgehen könnte. Diese haben nun bei zwei ganz Großen der Branche zu ausgesprochen gegensätzlichen Maßnahmen geführt.

Da ist zum einen der Gigant und Tennis-Sponsor Rolex, dessen CEO Jean-Frédéric Dufour den US-Präsidenten und Golf-Enthusiasten Donald Trump Mitte September zum Finale der US-Open geladen hatte. Und viele Stunden mit ihm in der Rolex-Lounge verbrachte.

Rolex, Trump und die US-Open

Damit hatte er dem Schweizer Wirtschaftsminister Guy Parmelin viel voraus, der sich kurz zuvor bei seinem US-Besuch mit Trumps Ministern zufriedengeben musste. Die Prioritäten des luxusaffinen POTUS, der unter anderem auch Rolex trägt, traten damit erneut klar zutage: Anstrengende Verhandlungen und Treffen mit Politikern liegen im Ranking hinter einem illustren Logen-Nachmittag mit dem Chef einer Top-Luxusmarke.

Welchen Sport es dabei zu sehen gibt, spielt eine vermutlich nachgeordnete Rolle. Ohne Einladung von Dufour hätte Trump den Samstag wohl eher auf einem seiner Golfplätze verbracht.

Denn Trump ist nicht gerade als Tennis-Fan bekannt. Dennoch war er nun seit 25 Jahren der erste amtierende US-Präsident, der einem Finale des Grand-Slam-Turniers in Flushing Meadows in New York City beiwohnte. Was von nicht wenigen echten Tennis-Fans im Stadion ob der durch seine Anwesenheit verursachten Verzögerungen mit Buh-Rufen quittiert wurde.

Nun ist davon auszugehen, dass der Rolex-Chef die Einladung ohne die aktuellen Zoll-Eskapaden des US-Präsidenten vermutlich nicht ausgesprochen hätte. Hat er in den zurückliegenden Jahren auch nicht. Weder an Trump, noch an einen anderen US-Präsidenten.

Ich unterstelle Dufour, dass ihm die Stunden in der Loge mit dem 79-Jährigen nicht unbedingt leichtgefallen sind. Ohne ihn persönlich zu kennen, gehe ich davon aus, dass der Schweizer tief in der demokratisch-freiheitlichen Denkweise verwurzelt ist. Anders als der selbsternannte Dealmaker Trump.

Und auf einen Deal hofft die Schweizer Exportindustrie, inklusive der Uhrenhersteller. Ob der Rolex-Chef die Zoll-Streitigkeiten während des Zusammentreffens thematisiert hat, ist nicht bekannt. Geschweige denn, ob er Trump mit dem Anliegen der Senkung des Schweiz-Zolls zum Umdenken bewegen konnte.

Und selbst wenn. Aussagen und Entscheidungen à la Trump sind zumeist mit einer kurzen Halbwertszeit behaftet. Bis der nächste Schmeichler und Einflüsterer kommt und ihn mit viel Lob vom Gegenteil überzeugt.

Bei mir löst ein solches Verhalten großes Unbehagen aus – auch wenn das angenommene Ziel von Jean-Frédéric Dufour ehrenwert ist: die Rettung des wichtigen US-Marktes für die Schweizer Uhrenindustrie. Dafür nahm er offenbar die mehrstündige Gesellschaft eines Donald Trump in Kauf. Dabei war dieses Treffen weder dem Schweizer Bundesrat angekündigt noch mit diesem abgestimmt worden. Geschweige denn hatte man Wirtschaftsminister Guy Parmelin ebenfalls eingeladen. Es war eine Rolex-Mission in eigener Sache. Legitim. Aber auch erfolgreich?

Dass Dufour Erfolg kann, steht außer Frage. Seit zehn Jahren im Amt, hat er Rolex zum Branchenprimus gemacht und an die Spitze der Luxus-Uhrenwelt geführt.

Hat Rolex das nötig?

Mir stellt sich daher die Frage: Hat es Rolex wirklich nötig, sich auf einen Donald Trump einzulassen? Auch, wenn es nur für ein paar Stunden ist. Zumal aufgrund der Wankelmütigkeit des US-Präsidenten auf dessen Versprechen in der Loge eines Tennis-Stadions wohl nicht viel zu geben ist.

Für mich hat diese Aktion dem Image des sonst mit gesellschaftlicher Verantwortung agierenden Unternehmens einen empfindlichen Kratzer zugefügt.

Rolex ist bekannt für sein Engagement in den Bereichen Sport, Kultur, Kunst und Wissenschaft, „und unterstützt diejenigen, die sich für den Erhalt unseres Planeten einsetzen. Die Produkte des Unternehmens, das engagiert und verantwortlich handelt, sind auf Beständigkeit angelegt. Im Streben nach Exzellenz versucht Rolex täglich, nicht nur seine Armbanduhren zu verbessern, sondern auch seine Umweltverträglichkeit und seinen gesellschaftlichen Einfluss.“ So beschreibt sich der Uhrenhersteller auf seiner Website selbst.

Auf Donald Trump trifft eine derartige Beschreibung eher nicht zu. Stattdessen beherrscht er die Disziplinen Frauenfeindlichkeit, Rassismus, Demokratiefeindlichkeit, Klimawandel-Leugnung, Gesellschaftsspaltung und Rücksichtslosigkeit.

Natürlich müssen Unternehmen pragmatisch handeln und stets das eigene Wohl und Wachstum im Blick haben. Aber nicht um jeden Preis, denke ich. Ab einer gewissen Größe und wirtschaftlichen Macht haben sie auch eine gesellschaftliche Verantwortung: Sie sind systemrelevant und einflussreich – auch in puncto Schutz der Demokratie, Freiheit, Gleichberechtigung und Solidarität.

Werte, die einem Donald Trump nicht allzu viel wert zu sein scheinen. Einem solchen Menschen die große Sportbühne zu bieten, ist für mich daher ein No-Go.

Und aufgrund der die Persönlichkeit Trumps abrundenden Unzuverlässigkeit auch mit wenig Aussicht auf nachhaltigen Erfolg gesegnet. Und selbst wenn. Es wäre ein Erfolg mit fadem Beigeschmack.

Darüber hinaus ist ein Donald Trump von den Zuckerbergs und Bezos dieser Welt ganz andere Charme-Offensiven gewöhnt, bei denen schon mal Investitionsversprechen in den USA in dreistelliger Milliardenhöhe abgegeben werden. Für Unternehmen, für die „Swiss Made“ ein unverrückbares Kennzeichen ist, ist so etwas ohnehin keine Option. Ob stattdessen ein Logenplatz, ein paar Sponsoring-Engagements in den USA oder Sonder-Uhreneditionen einzelner Marken ausreichen können, erscheint mir fraglich.

Darüber hinaus ist es kein Geheimnis, dass Rolex-Käufer nicht so genau aufs Geld schauen müssen. Ich denke, einen Kompromiss aus Margen-Kürzung und Preiserhöhung hätte man vermitteln können – und man wird es vermutlich auch tun, sollte vorerst keine Bewegung in den Zoll-Krimi kommen. Ohne den Logensitz für Trump in Flushing Meadows hätte man dies aber zugleich mit hoch erhobenem Haupt und dem Rolex-typischen gesellschaftlichen Anstand tun können. Diese Chance hat man meines Erachtens vertan.

Swatch Group und die „positive Provokation“ eines Nick Hayek

Das Enfant terrible der Schweizer Uhrenindustrie, Nick Hayek, geht mit seiner Swatch Group einen ganz anderen Weg. Wie gewohnt versucht er erst gar nicht, sich irgendwo lieb Kind zu machen – auch nicht bei Trump. Stattdessen setzt er auf seine ganz eigene Ironie.

Seine Antwort heißt „What if … tariffs“ und ist ein neues Modell der Swatch-Kollektion „What if …“. Auf dem quadratischen Zifferblatt sind die arabischen Ziffern 3 und 9 vertauscht worden und verweisen so auf den gegen die Schweiz verhängten US-Zoll in Höhe von 39 Prozent. Auf dem rückwärtigen Batteriefachdeckel ist außerdem ein großes Prozentzeichen zu sehen. Die Uhr kostet 139 Euro und ist ausschließlich in der Schweiz in elf Swatch-Stores und online erhältlich.

What if … tariffs von Swatch
What if … tariffs von Swatch

Auf der Website heißt es dazu: „Hoffentlich ist es nur eine limitierte Edition.“ Und auf Anfrage des Magazins watson teilte Swatch mit: „Sobald die USA ihre Zölle für die Schweiz ändern, werden wir den Verkauf dieser Uhr sofort einstellen.“ Laut blick.ch ist die Uhr aktuell aber bereits ausverkauft.

Ein Swatch-Sprecher bezeichnete die Aktion als „positive Provokation“: Man wolle damit die Schweizer Regierung aufrütteln, da sie bislang keine Zollsenkung erreicht hat.

Aber dabei belässt es Hayek nicht. Im Interview mit der NZZ kritisiert er ganz offen das Verhalten des Schweizer Bundesrates nach Bekanntgabe der US-Zollpläne. „In früheren Krisen wurde klug kommuniziert, getragen von einem intakten Selbstbewusstsein. Auch Bundesräte pflegten diese Haltung: zurückhaltend, aber mit innerer Stärke. Heute aber bin ich erschrocken. Denn nun kommunizieren wir nach außen – nicht nur gegenüber den Amerikanern, sondern weltweit –, dass wir schwach und klein sind, unfähig, uns zu wehren. Die ganze Welt hat gesehen, dass die Schweiz in Panik geraten ist.“

Zur Rolex-Einladung des US-Präsidenten zu den US-Open äußert er sich ebenfalls und antwortet auf die NZZ-Frage, ob er Donald Trump eingeladen hätte:

„Donald Trump als Person natürlich, als Präsidenten eher nicht, aber da Rolex ja ein großer Sponsor des US Open ist, ist das verständlich. Ich hätte aber auch Bundesrat Parmelin eingeladen, der kurz zuvor in den USA war. Parmelin und Trump gemeinsam beim Tennis: Das wäre eine ‚golden opportunity‘ gewesen, ohne Gesichtsverlust ins Gespräch zu kommen.“

Natürlich ändert eine 139-CHF-Swatch nicht die US-Zoll-Politik. Das weiß auch Hayek. Seinen unternehmerischen Weg für den US-Markt erläutert er im NZZ-Interview so:

„Je nach Marke werden wir hier Preiserhöhungen in einem Rahmen von 5 bis 15 Prozent machen. Da wir aber auch stark in Kanada und Mexiko vertreten sind, wird es auch dort Chancen geben punkto amerikanischer Konsumenten. Wir sind auch auf Hunderten karibischen Kreuzfahrtschiffen vertreten, vor allem mit unseren Volumenmarken, und dies oft duty-free. Dann gibt es natürlich Produkte, die der amerikanische Konsument einfach haben will, wie die ‚MoonSwatch Moonshine Gold‘, die statt 400 Dollar jetzt 450 Dollar kostet. Natürlich haben sich die amerikanischen Kunden nicht darüber gefreut, aber sie haben auch verstanden, dass es nicht unsere Schuld ist, sondern die Folge der amerikanischen Politik.“

Und die Zahlen geben ihm nach eigenem Bekunden recht: „In den USA boomt es: Per Ende August sind wir in Lokalwährung bei rund +15 Prozent über alle Marken. Die Amerikaner kaufen weiter – auch nach Preiserhöhungen“, so Hayek gegenüber der NZZ.

Raymond Weil, die Zoll-Uhr „Millesime“ und 39 Prozent Rabatt

Raymond Weil scheint über einen ähnlichen Humor wie Nick Hayek zu verfügen. Zumindest hat die Schweizer Marke ebenfalls eine 39-Prozent-Zoll-Uhr lanciert. 39 Exemplare gibt es von der limitierten „Millesime“-Version mit 39 Millimetern Durchmesser und einem 39-%-Hinweis auf dem Zifferblatt.

Limitierte „Millesime“-Version mit 39 Millimetern Durchmesser mit dem 39-%-Hinweis auf dem Zifferblatt von Raymond Weil
Limitierte „Millesime“-Version mit 39 Millimetern Durchmesser mit dem 39-%-Hinweis auf dem Zifferblatt von Raymond Weil

„Denn in der Schweizer Uhrmacherkunst hält Widrigkeiten die Zeit nicht an – sie inspirieren uns, Geschichten zu schaffen, die es wert sind, getragen zu werden“, so die Erläuterung.

Doch dabei belässt es Raymond Weil nicht. „Und im Geiste der Solidarität und des bescheidenen Nationalstolzes wird diese auf nur 39 Exemplare limitierte Uhr Sammlern mit 39 Prozent Rabatt angeboten.“ Aktuell ist die Uhr bereits ebenfalls ausverkauft, soll ab Mitte November aber wieder erhältlich sein. Es sei denn, Donald Trump überlegt es sich noch einmal anders.

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