Leider gar nicht luxuriös: Wie Van Cleef & Arpels sich in die Nesseln setzte

Der Zeit macht die schlechte Erfahrung einer Van Cleef & Arpels Kundin im Internet die Runde. Ich habe mich durch Kommentare auf YouTube geklickt und die Stimmung eingefangen. Sie hält einige wertvolle Lektionen bereit.

Links: TikTok-Screenshot von „mangomoniica“ mit beschädigtem Van Cleef & Arpels Armband.

Ein Prolog: Der Luxus in der Krise

Es gibt wohl kaum etwas, das die Marken der Welt so sehr fürchten, wie einen Shitstorm. Wenn die Internet-Bevölkerung mal wieder einen Grund findet, die Mistgabeln und Fackeln auszupacken, dann kann das für das Image ganz böse enden. Dann wird man zu neudeutsch „gecancelled“. Heißt konkret: radikaler Boykott der Marke, Drama-Videos auf YouTube, Instagram und TikTok, eine Flut von Wut-Nachrichten auf Twitter – inzwischen X – und der generelle Konsens, dass die Marke nun uncool ist und sich selbst abgeschafft hat.

Das Klima in der Luxuswelt ist rauer geworden. Wirtschaft und Politik weltweit drücken auf die Konsumlaune. Aber nicht nur das. Auch das Vertrauen in die Marken ist gesunken – nicht zuletzt auch aufgrund einer neuen Aufklärung der Konsumenten und einer – darf man es denn wagen, das zu sagen – Arroganz der führenden Marken. Jüngste Skandale, allen voran zuletzt bei Dior haben das Image der Luxuswelt ordentlich angefressen. 

Die Rede ist von unmenschlichen Arbeitsbedingungen in sogenannten „Sweatshops“ – sogar im Herzen von Europa – minderwertige Materialien und massiv aufgeblähte Preise bei gleichzeitig lächerlich günstigen Produktionskosten – ein Skandal jagt den nächsten. Marken, die es erwischt hat und die nun ein Dorn im Auge vieler enttäuschter und nun ehemaliger Luxusfans sind, heißen auch Dolce & Gabbana, Louis Vuitton, Armani oder Fendi.

Handtasche von Yves Saint Laurent: Handtaschen wie diese sind inzwischen nicht mehr ganz so beliebt wie früher. © Unsplash/Laura Chouette

Konsumstimmung: Keine Lust auf Angeben

Es hat ein Umdenken stattgefunden – viele Konsumenten der jüngeren Generation verabscheuen inzwischen Luxusgüter. Bekannt ist: Auch Influencer lügen. Ihr Lifestyle ist nicht cool, weil viele sich den Luxus-Chic in wahrheit selbst nicht leisten können. Sie verschulden sich für die Markenprodukte, entscheiden sich bewusst für Fälschungen (ohne das in ihrem Content zu verraten, versteht sich) oder geben die teuren Produkte nach wenigen Tagen heimlich zurück. Sichtbare Logos sind ebenfalls out. Wer heute noch mit Louis Vuitton herumläuft, erntet höchstens verächtliche Blicke. Die Gen Z weiß: Wer sichtbare Labels trägt, hat kein Geld, sondern tut nur so. Warum also mitmachen?

Es gibt einen Grund, warum der „echte“ Luxus – da wo er noch anzutreffen ist – meist ohne Labels und schreiende Styles auskommt. Der ist eben leise. Quiet Luxury also. Mein Eindruck bei meiner täglichen privaten Konsumentenforschung auf Social Media.

Die Menschen haben eine große Sehnsucht nach echter Qualität, nur finden sie die nirgendwo mehr, zwischen all den Bergen aus billiger Fast-Fashion und sterbenden Luxus-Labels, die das Vertrauen enttäuscht haben. So. Das mal zur allgemeinen Grundstimmung. Nun aber zur eigentlichen Story …

Van Cleef & Arpels und eine wütende Influencerin

Eine amerikanische Influencerin namens Monica, auf TikTok unterwegs mit über 700.000 Followern, hat sich in einer Van Cleef & Arpels Boutique ein goldenes Armband gegönnt. Es handelt sich um das sehr bekannte „Alhambra“-Armband mit fünffachem guillochiertem Kleeblatt-Motiv. In den USA zahlte die Influencerin für dieses Designer-Stück eine stattliche Summe von 8.000 Dollar, bei uns kostet das Armband 6.600 Euro. Eine Menge an Geld, bei der man also eigentlich ein tolles Produkt und ebenso hochwertigen Service erwarten können sollte. Eigentlich …

Stattdessen war die Erfahrung von Monica alles andere als luxuriös. Ihr verärgertes Video beginnt auch gleich mit klaren Worten. „De-influencen“ möchte die Influencerin. Das heißt, ihren Followern den Kauf des Van Cleef & Arpels Armbandes direkt ausreden, ihnen davon abraten. „Kauft nicht von Van Cleef & Arpels!“, sagt sie.

Was ist passiert? Das teure Armband ist nach nur zwei Monaten des Tragens stark angelaufen. Die Flecken auf der Oberfläche erinnern an Rost. Wie kann das sein? Immerhin handelt es sich doch um 18-karätiges Gold! Aber dazu später mehr.

Zunächst brachte die Influencerin das Armband zurück in den Store, wo es zweimal im Ultraschallbad gereinigt wurde. Danach wurde es sogar nach New York geschickt, um noch einmal professionell gereinigt zu werden. Als die Kundin es zurückerhält, sind die Flecken auf dem Kleeblatt-Motiv allerdings immer noch zu sehen. Und hier beginnt das eigentliche Problem.

Keine Kulanz und arrogantes Personal

Diverse deutsche Branchen-Insider, die ich zu der Geschichte befragt habe, sind sich bei so einem Fall einig: Kulanz und Service stehen an erster Stelle. Weder die Kundin noch der Hersteller müsste eine Erklärung abgeben. Das Armband oder der beschädigte Teil sollte kostenlos ausgetauscht werden.

Leider hate Monica eine ganz andere Erfahrung: Die Store-Managerin wollte den vorhandenen Fleck auf dem Armband nicht anerkennen. In einem Video, das die Influencerin bei dem Besuch mitgeschnitten hat, sieht man wie die Managerin erklärt, der Fleck sei lediglich das Spiegelbild eines Fingers in der goldenen Oberfläche. 

„Die Store-Managerin hatte die Dreistigkeit, mir das Gefühl zu geben, ich sei blind!“, lamentiert die Influencerin.

Monica berichtet, ein weiterer Mitarbeiter im Geschäft habe die Flecken auf dem Armband ebenfalls gesehen und sich mit dem Verhalten der Store-Managerin genauso unwohl gefühlt, wie die Influencerin selbst. Sie wirft der Store-Managerin vor, ihre Autorität ausgenutzt zu haben, um ihr und dem anwesenden Mitarbeiter falsche Tatsachen einzureden.

Die TikTokerin beklagt sich über den Versuch, ihre Realität zu verzerren und sagt: „…bis zu dem Punkt, wo ich am liebsten geweint hätte.“

Der Store wollte keine weiteren Dienstleistungen für die unglückliche Kundin erbringen. Letztes Angebot: das ganze Armband kann noch einmal nach New York zur professionellen Reinigung geschickt werden – wo es ja eigentlich gerade herkam – dieses Mal für 180 Dollar. Oder: das beschädigte Kleeblatt-Motiv kann ausgetauscht werden, allerdings nicht kostenlos, sondern aus dem Gelbbeutel der ohnehin schon frustrierten Kundin.

Monica erklärt: „Ich stehe nicht hinter Van Cleef & Arpels. Für ein Armband, das ohnehin schon so teuer ist, hätte ich viel mehr und viel besseren Kundenservice erwartet und viel bessere Qualität als das!“ Sie betont noch einmal, dass das Armband nach der Reinigung noch immer angelaufen war und ergänzt: „…und dadurch, dass die Store-Managerin sich verhalten hat als könne sie das nicht sehen, habe ich mich noch schlechter gefühlt.“

Die Internet-Community ist sauer

Als mich die Story zuerst erreicht hat, wurde das Beschwerde-Video von Monica auf TikTok mehr als 6 Millionen mal angesehen – inzwischen ist die Zahl auf mehr als 10 Millionen Ansichten angestiegen – und das nur für das ursprüngliche Video! Gemeinsam mit den Folgevideos, die die TikTokerin zu dem Thema veröffentlicht hat, dürfte das ganze Thema weit mehr als 20 Millionen Menschen erreicht haben.

Das heißt, das frustrierende Kundenerlebnis ist inzwischen bei einer guten Portion des Internets angekommen – noch mehr wird es, wenn man bedenkt, dass auch YouTube-Kanäle, die liebend gern über Mode und Influencer-Drama berichten, die Story aufgenommen haben und weiter verbreiten. Ergebnis: das Internet ist sauer! 

Der Schaden ist auch von weitem deutlich sichtbar.
Das angelaufene Gold-Motiv in der genaueren Ansicht.
Auch nach der Reinigung ist die Verfäbrung sichtbar.

Hier haben wir wieder den berüchtigten Mob mit Fackeln und Heugabeln, den ich anfangs erwähnt habe. Van Cleef & Arpels wird auf seiner eigenen TikTok-Seite mit negativen Nachrichten bombardiert, darunter sarkastische Kommentare wie  „Ich habe eine Frage: Läuft mein Armband erst nach 31 Tagen an oder schon nach 28?“ Es gibt auch direktes Feedback an die Marke: „Dank Monica werde ich niemals etwas von euch kaufen. Sie hat uns eine Menge Geld erspart.“

Ein weiterer Kommentar macht das Sentiment klar: „Ich bin nur für die Kommentare hier hergekommen. Ihr solltet das Armband dieses Mädels einfach ersetzen. Ich habe die Macht von TikTok gesehen. [Die negativen Kommentare] werden nicht aufhören.“ Andere Nutzer gehen noch weiter und fordern, dass die verantwortliche Store-Managerin ihren Job verlieren sollte.

Das Vertrauen der Kunden verspielt

Monica hat noch einmal versucht, das Problem auf eigene Faust zu lösen und den Kundenservice angerufen. Dabei hat sie von Van Cleef & Arpels erfahren, dass es keine Garantie auf das “Alhambra”-Armband gibt. Das bedeutet, falls ein Schmuckstück oder eine Uhr nach dem Zeitfenster von 30 Tagen rostet, anläuft oder sonst einen Schaden erleidet, kann es nicht ersetzt werden. 

Laut Monica erklärte der Kundenservice, es läge an der Entscheidung der jeweiligen Van Cleef & Arpels Boutique, wie man mit solchen Fällen umgehen möchte. Und was die Boutique im Fall von Monica denkt, wissen wir. Siehe oben: Reparatur oder Politur aus eigener Tasche.

Da muss man doch wirklich staunen. Dazu aus meinem privaten Nähkästchen: Ich habe mir von einer Lifestyle-Marke vor fast zwei Jahren ein Tennisarmband aus Silber und Zirkonia-Steinen gekauft. Preis: circa 200 Euro. Nach etwas mehr als einem Jahr ist der filigrane Zugbandverschluss gerissen. Ganz durch Zufall bin ich mit einem Juwelier ins Gespräch gekommen, der diese Marke führt und mir das Armband kostenlos repariert hat - auch auf Herstelleranweisung. Sollte das Armband nochmal reißen, kann ich es gegen ein besser gebautes Modell austauschen lassen. 
Alle Juweliere und Goldschmiede in meinem Umfeld, die ich zu der Geschichte mit dem Van Cleef & Arpels Armband befragt habe, sind eindeutig der Meinung, dass man den Schmuck ohne Umschweife und weitere Kosten hätte austauschen müssen.

Van Cleef & Arpels hat inzwischen reagiert und Monica einen Ersatz für das beschädigte Armband angeboten. Das hat die frustrierte Kundin allerdings abgelehnt und eine Rückerstattung der Kosten als Alternative vorgezogen. Die negative Erfahrung – vor allem auch befeuert durch die Store-Managerin – hat offenbar einen zu bitteren Nachgeschmack hinterlassen. 

Das Internet ist sich unterdessen einig: Wenn die Videos von Monica nicht viral gegangen wären und nicht so viele TikTok-Nutzer direkt bei Van Cleef & Arpels Stunk gemacht hätten, wäre die Marke wohl nicht eingeknickt und hätte nicht reagiert.

Ziemlich sicheres Fazit: Das Verhalten der Luxusmarke, das von außen betrachtet tatsächlich recht stur und arrogant wirkt, hat sie sicherlich weit mehr gekostet als nur den Wert des zu ersetzenden Armbandes. Dann hätte die Marke niemals so viel negative Aufmerksamkeit bekommen. Man kann über Influencer denken, was man will: Die Plattform, die diese Internet-Persönlichkeiten haben, kann tatsächlich nützlich sein, um ein wenig Gleichgewicht in der Welt wieder herzustellen, wenn Kunden sich von teuren Marken gegängelt fühlen.

Entschuldigung mit weiterem Fettnäpfchen

Monica hat sich also für eine Rückerstattung ihres Geldes entschieden. Das Van Cleef & Arpels Armband wurde – nun doch kulanterweise – von einer Mitarbeiterin des Stores abgeholt. Vielleicht auch bewegt durch den Gegenwind aus dem Internet, schenkte die Boutique der TikTokerin zwei Dinge: eine Orchidee und einen dicken Bildband, der Handwerksmethoden der Schmuckherstellung von Van Cleef & Arpels zeigt.

Wenn das Internet mal wütend ist, dann bleibt es das auch eine ganze Weile. Denn für diesen Zug erntete Van Cleef & Arpels ebenfalls Spott. Influencerin Monica empfindet ein Buch über die Handwerksmethoden der Maison nun erst recht als schnippisch und bevormundend – das Internet mokiert sich über den Wert des Buchs. Offenbar dürfte der Preis für den Bildband, ein typisches “Coffeetable Book” bei 35 Dollar liegen. Die Community ist überzeugt: Van Cleef & Arpels hätte Monica als Geste ein anderes, neues Schmuckstück schenken müssen, selbst wenn ihr die Freude an der Marke nun endgültig verleidet scheint.

Der Epilog: Debatte über Echtheit von Gold

Die Geschichte von einem sündhaft teuren Gold-Armband, das nach so kurzer Zeit anlaufen kann, hat im Internet eine Debatte ausgelöst: ist das “Alhambra-Bracelet” überhaupt wirklich aus 18-karätigem Gold oder vielleicht doch nur goldplattiert? Kann “echtes” Gold überhaupt anlaufen? Kurze Antwort: Ja, es geht. Ungewöhnlich ist es trotzdem.

Monica hat das Armband bei einem Juwelier prüfen lassen. Das Ergebnis dort: Ja, das Alhambra-Armband besteht aus 18-karätigem Gold.  

Es sind trotzdem nicht alle Zweifel an diesem Schmuckstück beseitigt – im Gegenteil: Es herrscht nach wie vor eine Uneinigkeit in den diversen Kommentarspalten, die zeigt, dass Aufklärung über die Eigenschaften von Schmuck fehlt und ein allgemeines Misstrauen bei den Schmuck-Konsumenten fördert. Es kommen neue Zweifel an Qualität, Sinn und Zweck von Schmuck auf, die mir als Branchen-Insiderin und Schmuck-Enthusiastin auch ein bisschen weh tun.

Diesem Thema möchte ich allerdings einen eigenen Artikel widmen. Wir lesen uns dann in Teil 2.

Alle Screenshots von TikTok/mangomoniica

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