Mein Uhren-Monat: April 2025 – faszinierende Vielfalt und nervöse Fragilität
Keine Frage, die Watches & Wonders war im April das Mega-Thema der gesamten globalen Uhren-Community.
Anfangs – nach dem Ende der oft beschimpften und zugleich heiß geliebten Baselworld – wurde die Transformation der einstigen Richemont-Messe SIHH zur auch anderen Marken offenstehenden Watches & Wonders kritisch beäugt:
Mehr als eine Interimslösung als Reaktion auf das Basel-Aus (die letzte Ausgabe fand 2019 statt) wird es wohl nicht werden. So dachten viele. Ich ehrlich gesagt auch.

Selbst der Name gefiel mir nicht, wie man in einer meiner Kolumnen aus dem Jahr 2019 nachlesen kann:
„Cars & Wonders, Jewels & Wonders, Wine & Wonders, Whatever & Wonders … das Namens-Konzept passt irgendwie zu allem. Okay, er ist für viele Menschen sicher leichter auszusprechen als Salon International de la Haute Horlogerie. Und die Alliteration von Watches und Wonders ist ein anerkanntes, sprachliches Stilmittel. So gut, so langweilig.“
Dann machte zudem Corona der ersten und zweiten Watches & Wonders einen Strich durch die Rechnung, sodass sie 2020 und 2021 nur als digitaler Event stattfanden. Für ein so emotionales Produkt wie die Uhr, bei der auch die Haptik eine entscheidende Rolle spielt, und der dazugehörigen zeigefreudigen Branche mit ihrer großen Leidenschaft für Kommunikation sowie Klatsch & Tratsch war das ein suboptimaler Start.
Die dritte Dimension
2021 kommentierte ich das so: „Die Watches & Wonders Geneva war rundum professionell, flimmerte aber leider als zweidimensionale Uhrenshow über die Bildschirme der weltweiten Community. Was fehlte, war die dritte Dimension, die Tiefe.“

„Und damit meine ich nicht nur die physikalische, räumliche Tiefe, die es einem erlaubt hätte, die Zeitmesser der neuesten Generation optisch und haptisch in ihrer Gesamtheit zu erfassen.
Es fehlte auch die dritte Dimension der Kommunikation: die inhaltliche Tiefe eines Gesprächs von Mensch zu Mensch, der vertraute Dialog abseits von Gruppen-Präsentation, bei denen man nie genau weiß, wer alles zuhört, die spontane Eingebung und zündende Idee aufgrund einer winzigen ungeplanten Bemerkung, das zufällige Kennenlernen spannender Persönlichkeiten, das Wiedertreffen von alten Bekannten und das fröhliche Beisammensein am Abend.“
Seit 2022 findet all dies zum Glück wieder in den gefühlt unendlichen Weiten der Genfer Palexpo-Hallen statt. Und die Watches & Wonders wächst und gedeiht unaufhörlich. Aus anfänglich gut 30 ausstellenden Marken sind mittlerweile 60 geworden.
Der Rolex-Coup
Förderlich war sicher die Tatsache, dass von Beginn an Rolex dabei war. Die Marke zieht nach wie unglaublich viel Aufmerksamkeit auf sich – und möglicherweise aber auch von anderen, nicht minder spannenden Marken ab.
So war es auch in diesem Jahr. Mit dem Unterschied, dass die wichtigste Rolex-Neuheit bereits vor dem offiziellen Launch am 1. April geleakt wurde, der Rolex-Markenbotschafter Roger Federer sich zwei Tage zuvor auf Instagram mit der noch nicht gelaunchten „Land-Dweller“ zeigte und die Pressemitteilung nicht am Morgen des ersten Tages der Watches & Wonders um die Welt geschickt wurde, sondern bereits um 0.01 Uhr.

Die Konsequenz: zahllose übermüdete Journalisten, Blogger und Influencer tummelten sich am Eröffnungstag der Watches & Wonders 2025 in den Gängen der Palexpo-Hallen. Denn schließlich wollte jeder das Rennen um die erste Veröffentlichung der Rolex-Neuheiten gewinnen.
Diversität at its Best
Der positive Effekt: von der ersten Stunde an konnten sich alle auf die vielen anderen spannenden Uhren-Premieren konzentrieren – okay, manche aufgrund der Rolex-initiierten Übermüdung erst ab dem zweiten Tag.
Aber spätestens dann schwebten die 55.000 Besucher (2024: 49.000) – davon 23.000 an den Publikumstagen – in einer tickenden Vielfalt ohne Gleichen. In wenigen Jahren hat es die Watches & Wonders tatsächlich geschafft, zum wohl größten Uhren-Event der Welt zu werden. Denn ganz Genf macht mit und der große Spaß findet auch außerhalb der Messehallen statt.
So war es erstmals auch ohne großen Aufwand möglich, die zeitlich parallel stattfindende Time to Watches zu besuchen, und zwar in der in wenigen Minuten fußläufig zu erreichenden Villa Sarasin auf dem Palexpo-Gelände. Hier tickten die Uhren etwas anders – unabhängiger und weniger hochpreisig, aber nicht minder kreativ und hochwertig.

Hinzu kamen die vielen Aktivitäten in Genf selbst. Dazu gehörten kostenlosen Kulturveranstaltungen des Programms „In The City“ sowie Angebote von Uhrenmarken in Boutiquen und Hotels.
Nicht zu vergessen all die Gespräche über die Branche, die gemeinsamen Blicke auf uhrenbestückte Handgelenke und das einmütige Kristallkugellesen – befeuert durch den US-amerikanischen Präsidenten.
Fragile Uhrenwelt
Denn mitten im schönsten Dasein in der Champagner getränkten Watches-&-Wonders-Blase drohte eben diese zu platzen. Spoiler: sie hat gehalten, wurde aber deutlich gedehnt. Denn etwas anderes platze – oder besser explodierte – in der ersten April-Woche: Donald Trumps Zoll-Bombe. Die Schweiz wurde dabei mit besonders hohen Zöllen bedacht.

Das passte so gar nicht in diese – wenn auch nur temporär – schöne, heile und glamouröse Welt in den Palexpo-Hallen. Nach einem rückläufigen Exportjahr 2024 und einem auch nur durchwachsenen Start in 2025 zeigten sich die Zahlen der Schweizer Uhrenindustrie ohnehin angekratzt.
Klar war bereits: Ein einfaches „Weiter so!“ wird in Zukunft nicht reichen, um Produkte, die niemand benötigt, weltweit an Frau und Mann zu bringen.
Die Zölle – ausgerechnet für den für Schweizer Uhren so immens wichtigen US-Markt – verdeutlichten die Fragilität der Uhrenbranche einmal mehr. Und deren Nervosität.
Auch wenn viele Markenvertreter ostentative Gelassenheit zur Schau trugen, begannen hinter den Kulissen offenbar hektische Aktivitäten und man versuchte, noch vor Inkrafttreten des 31-Prozent-Zolls möglichst viele Uhren in die USA einzufliegen.
Dass Zölle kommen würden, war klar. Und das schlug sich offenbar bereits in den Exportzahlen im März 2025 nieder. So gehen die Analysten von Jefferies davon aus, dass die positiven Zahlen für März 2025 „wahrscheinlich durch vorgezogene Lieferungen in die USA im Vorfeld der drohenden Zölle begünstigt wurden“. Und die wurden in der ersten Aprilwoche vor dem 9. April, dem ursprünglichen Start der US-Zölle, sicher noch einmal intensiviert.
Nun wurden die Zölle für die Schweiz wie für fast alle anderen Länder zunächst aus- sowie ein 10-prozentiger Basis-Zoll angesetzt. Und es laufen bilaterale Verhandlungen. Ende offen – denn Donald Trump und seine Entscheidungen sind unberechenbar.
All das zeigt – wie beispielsweise bereits die chinesische Antikorruptionskampagne in den 2010er-Jahren und Corona Anfang der 2020er-Jahre –, wie fragil das wirtschaftliche Gleichgewicht der globalen Uhrenindustrie ist. Auch der aktuell starke und weiter steigende Franken macht den exportorientierten Uhrenunternehmen aktuell zu schaffen.
Es bleibt spannend, welche Strategien die Uhrenmarken entwickeln werden, um sich auch in Zukunft zu behaupten.
Meine Hoffnung ist, dass sie sich nicht auf Preiserhöhungen beschränken werden, um die eigene Marge nicht allzu sehr schrumpfen zu lassen. In der Hoffnung, dass die gut Betuchten dies einfach so hinnehmen werden.
Es wäre einfach zu schade, wenn die wunderbare Vielfalt der faszinierenden Uhrenwelt immer weniger Menschen zuteilwerden würde.