INTERVIEW – Niels Eggerding (CEO Frederique Constant): „Wir sind sehr gut vorbereitet.“

Die seit 2016 zur Citizen Group gehörende Swiss-Made-Marke Frederique Constant wurde 1988 gegründet. Im Vergleich zu anderen Schweizer Uhrenherstellern gehört sie zu den jüngeren Unternehmen. Dennoch weist sie schon jetzt eine beeindruckend vielfältige Geschichte auf.

Bereits die Gründung der Marke verlief unüblich. Weder stammt sie aus einem großen Konzern noch beruht sie auf einem alten Namen der Uhrmacherkunst, der nach einem jahrhundertelangen Dornröschenschlaf wieder zum Leben erweckt wurde.

Ehepaar Stas

Die Gründer, Aletta und Peter Stas, sind keine Schweizer, sondern Niederländer und waren damals in Hongkong ansässig. Während einer Reise in die Schweiz entstand jedoch ihre Vision, Swiss-Made-Uhrmacherkunst durch erschwingliche Preise einem breiten Publikum zugänglich zu machen.

Daran hat sich heute nichts geändert, auch nicht seit der Zugehörigkeit zur Citizen Group. CEO Niels Eggerding, seit rund acht Jahren Managing Director beziehungsweise CEO, erläutert die große Dynamik der Marke so: „Wir sind immer dreimal so schnell wie die anderen, weil wir jünger sind. Zudem haben wir eine flacherer Organisation als viele andere Unternehmen. Und wir haben alles unter einem Dach.“

Das Ergebnis sind neben Quarzuhren vor allem auch Mechanik-Modelle im Preisbereich bis etwa 4.000 € sowie mittlerweile 34 Manufaktur-Kaliber, die seit 2004 im Headquarter in Genf entwickelt und montiert werden.

Auf der Watches & Wonders 2025 sprach ich (kurz vor Trumps Zoll-Ankündigung) mit Niels Eggerding über die aktuellen Herausforderungen der Uhrenbranche und seine persönlichen Pläne.

Insight Luxury: Wie zufrieden sind Sie mit der diesjährigen Watches & Wonders?

Niels Eggerding: Wir sind sehr zufrieden. Wir haben erneut die Anzahl unserer Termine deutlich gesteigert. Um rund 20 Prozent gegenüber letztem Jahr, um genau zu sein.

IL: Wo liegen Ihrer Meinung nach die Unterschiede zwischen der W&W und der Baselworld, die ja 2019 zum letzten Mal stattfand.

NE: Der Fokus der Watches & Wonders liegt viel stärker auf dem High-End-Segment und spricht viel gezielter den Einzelhandel an. In Basel präsentierten sich einige sehr große Marken genauso wie kleine, Volumen- und Mode-Labels. Das Ausstellerfeld war viel heterogener. Das ist der größte Unterschied.

IL: Welches Format passt besser zu Frederique Constant?

NE: Ich denke, die W&W bietet uns viele Vorteile. Wir sind im Vertrieb wirklich ausgezeichnet aufgestellt, aber hier erreichen wir gerade unsere Top-Kunden aus dem Einzelhandel besonders gut und können ihnen unsere Uhren, unsere Expertise und unsere Geschichten in einem exklusiven Umfeld vermitteln. Das hat in den vergangenen zwei Jahren hervorragend funktioniert.

„Classic Tourbillon Manufacture“
„Classic Tourbillon Manufacture“

IL: Apropos Einzelhandel. Da gibt es diejenigen, die sehr gute Geschäfte machen, und diejenigen, um die man sich Sorgen machen muss. Was müssen Juweliere heute Ihrer Meinung nach tun, um erfolgreich zu sein?

NE: Das Wichtigste ist es, dass sich der Juwelier bewusst macht, dass der Kunde schon lange nicht mehr einfach so von ganz allein ins Geschäft kommt. Nur, weil es hier Uhren oder Schmuck zu kaufen gibt. Stattdessen muss man proaktiv agieren.

IL: Können Sie mir ein Beispiel nennen?

NE: Wir haben einmal einem unserer Partner-Juweliere eine sehr exklusive Uhr angeboten. Als Reaktion sagte mir der Händler, dass er noch ausreichend Lagerbestand für sechs Monate habe und daher diese Uhr nicht verkaufen könne. Daraufhin habe ich ihn gefragt, was er denn proaktiv gemacht habe, um besser zu verkaufen. Die Antwort lautete: nichts Besonderes.

Und genau das ist das Problem. Ich habe diesem Juwelier vorgeschlagen, seine 20 besten Kunden anzurufen, welche er im letzten Jahr nicht im Geschäft gesehen hatte, um ihnen zu erklären, dass diese ganz besondere Uhr genau das Richtige für sie sei. Ruf sie an und lade sie zu dir ein, mache einen Event und so weiter. Ich bin mir sicher, von den 20 Kunden wären mindestens zwei an der exklusiven Uhr interessiert gewesen. Man muss aktiv sein und immer mit den Kunden im Austausch bleiben.

„Worldtimer Manufacture“
„Worldtimer Manufacture“

IL: Wie schlagen sich denn die deutschen Juweliere in dieser Disziplin?

NE: Das ist gar nicht so einfach zu beantworten. Sie sind etwas zögerlicher als zum Beispiel in Frankreich oder Italien. Dort gehen die Juweliere oftmals stärker auf die Kunden ein und sind flexibler, wenn es um eigene Events geht.

In Deutschland agieren die Juweliere ähnlich wie in den Niederlanden, etwas zurückhaltender und weniger emotional.

IL: Wenn man sich die aktuelle weltpolitische Lage anschaut, ist das im ersten Moment vielleicht sogar nachvollziehbar. Selbst der Luxussektor stottert, China und der US-Markt schwächeln. Man weiß im Moment nie, was als Nächstes in der Weltwirtschaft geschieht. Wie wird sich diese Unsicherheit auf die Schweizer Uhrenindustrie auswirken?

NE: Das wird sich sehr deutlich auf die Schweizer Uhrenindustrie auswirken beziehungsweise hat es bereits. Nach Covid gab es einen enormen Nachholbedarf der Konsumenten im Luxussegment, der Markt und die Marken nahmen schnell wieder Fahrt auf.

Es wurden neue Mitarbeiter eingestellt, Lagerbestände aufgebaut und man bereitete sich auf das Anhalten der guten Geschäfte vor. Und dann waren diese schönen Zeiten plötzlich wieder vorbei. Stattdessen gab es Inflation, steigende Produktions- und Energiepreise bei sinkender oder stagnierender Nachfrage. Das wird vor allem kleinere Unternehmen treffen oder hat es bereits.

Denn in wirtschaftlichen Krisenzeiten wie diesen zahlt der Kunde später, der Lieferant will aber früher sein Geld haben. Das führt zu Liquiditätsengpässen, was sehr gefährlich werden kann. Wer darauf nicht vorbereitet ist, läuft Gefahr, in existenzielle Schwierigkeiten zu geraten.

Niels Eggerding
Niels Eggerding, CEO Frederique Constant

IL: Ist Frederique Constant gut vorbereitet?

NE: Ja. Wir sind sehr gut vorbereitet. Zudem haben wir eine große Gruppe hinter uns und konnten uns in den zurückliegenden fünf Jahren international gut positionieren.

Meine wichtigsten Wachstumsmärkte waren Italien, Frankreich, Großbritannien, die USA, Mexiko und noch einige andere. Alle diese Märkte sind deutlich gewachsen: USA im letzten Jahr um 37 Prozent, Großbritannien um 22 Prozent und Italien sogar um fast 80 Prozent.

Aber natürlich lief es auch für uns wie für so viele andere in einigen asiatischen Märkten nicht so rund. Aber zum Glück hatten wir nicht viel in diese Märkte investiert. Manchmal braucht es einfach auch ein wenig Glück.

IL: Sie haben einmal gesagt, dass Sie einen Dreijahres-Plan bei Frederique Constant eingeführt haben. Kann man so etwas angesichts der sich schnell ändernden Weltlage, die auch das Luxussegment betrifft, überhaupt noch aufrechterhalten?

NE: Ich denke, es ist immer gut, einen solchen Plan zu haben. Aber es ändert sich derzeit wirklich vieles sehr schnell. Und deshalb muss man auch als Unternehmen in der Lage sein, sich zu verändern. Man muss flexibel und anpassungsfähig sein.

Dennoch muss man einen klaren Plan haben und diesen kommunizieren. Ohne Dreijahres-Plan hinsichtlich Produkt-, Finanz- und Cash-Planung ist es schwierig, mit Mitarbeitern, Lieferanten und so weiter zu interagieren. Man muss immer seine Ausrichtung und Vision transparent machen.

Headquarter Frederique Constant
Headquarter von Frederique Constant in Plan-les-Ouates im Kanton Genf.

IL: Schauen wir mal auf das Produkt. Vergleicht man Uhrendesign und -technik von heute mit vor 20 Jahren, dann fällt auf, dass die Bandbreite riesig geworden ist. Es scheint fast nichts zu geben, was es nicht gibt. Wie schwierig ist die Produkt- und Kollektionspolitik in der Uhrenbranche heute eigentlich?

NE: Interessanterweise orientiert sich das Uhrendesign heute stark an vergangenen Jahrzehnten, es ist also nicht wirklich neu. Dennoch wird es durch den Rückblick und die Wiederbelebung ikonisch. Das ist sehr gut und erzeugt viel Nachfrage. Das gefällt mir.

In technologischer und materieller Hinsicht sieht das ganz anders aus. Da gibt es großartige, neue Entwicklungen. Auch das ist hervorragend. Außerdem tauchen viele Mikrobrands auf, die erschwingliche Uhren anbieten können.

Es ist gerade viel Dynamik und Bewegung in der Uhrenbranche zu beobachten.

IL: Sie haben den Vintage-Trend angesprochen. Derzeit zelebrieren die Schweizer Traditionsmarken die Wiederbelebung von Modellen oder Kollektionen aus der Vergangenheit. Frederique Constant ist zu jung, um dies zu tun. Ist das ein Nachteil?

NE: Ein wenig, ja. Wir können uns nicht auf eine hunderte Jahre alte Geschichte stützen. Aber wir haben außergewöhnliche Stücke für Uhrenkenner kreiert, etwa die Steinzifferblätter vor zwei Jahren. Und Jahr für Jahr stellen wir neue oder weiterentwickelte Manufakturkaliber vor. Das ist etwas, was Sammler interessiert.

Überdies haben wir auch sehr attraktive Quarzuhren im Sortiment, die für junge Vintage-interessierte Menschen erschwinglich sind. Ich denke, wir tun alles, um trotz unseres jungen Alters nicht langweilig zu sein.

Wir schreiben unsere Geschichte jetzt und bauen gleichzeitig eine enge Verbindung zu unseren Kunden auf. Das ist eine sehr tragfähige Zukunftsstrategie.

IL: Sie haben die Manufakturkaliber erwähnt. Frederique Constant ist zu Recht stolz auf die vielen Inhouse-Uhrwerke. Aber ist das wirklich für einen Großteil Ihrer Käufer entscheidend?

NE: Das ist eine interessante Frage. Ich denke, vor 20 Jahren hätte man sich damit nicht besonders hervortun können. Damals haben sich die meisten Uhrenkäufer mit solchen technischen Details nicht beschäftigt beziehungsweise, es war gar nicht so einfach, entsprechende Informationen zu bekommen und sich darüber auszutauschen.

Heute haben wir Zugang zu Medien aller Art und die Uhrenliebhaber und -sammler sind extrem gut informiert, auch über die komplexe Technik mechanischer Uhrwerke. Dieses Wissen und Interesse der sogenannten Early Adopter, welches sie über Social Media überallhin verbreiten, muss man heute als Marke berücksichtigen, um sich erfolgreich zu positionieren. Mechanik-Kompetenz gehört für uns in jedem Fall dazu.

Weltzeituhrwerk FC-718
Hauseigenes Weltzeituhrwerk FC-718

IL: Das heißt, es ist immer wichtig, den Konsumenten und Uhrenliebhabern genau zuzuhören?

NE: Auf jeden Fall, mehr denn je. Ich schaue mir YouTube-Videos an, ich lese Kommentare und erfahre so, worüber in der Uhren-Community gerade gesprochen wird. Natürlich auch, was sie über unsere Uhren denkt.

Es geht darum, dem Kunden genau zuzuhören und seine Wünsche schnell aufzunehmen. Einfach ein Produkt auf den Markt zu bringen, von dem man glaubt, dass es erfolgreich sein wird, weil es qualitativ sehr gut ist, das funktioniert nicht mehr. Das hat es vielleicht vor 20 Jahren, aber dieser Luxus ist vorbei.

IL: Zu welchem Bestseller von Frederique Constant hat diese Strategie des Zuhörens geführt?

NE: Das ist immer noch die „Classic Heart Beat Moonphase Date“ mit unserem Automatikkaliber FC 335, welches wir bereits 2014 eingeführt haben. Wenn Sie mich fragen, würde ich die Uhr sofort neu gestalten. Aber sie ist so erfolgreich, dass wir dabei bleiben.

„Classic Heart Beat Moonphase Date“
„Classic Heart Beat Moonphase Date“

Auch die Neuheiten vom vergangenen Jahr laufen sehr gut. Etwa die „Classics Carrée Small Seconds“ mit dem Quarzwerk FC-235. Diese Uhr wurde anfänglich sehr unterschätzt. Die „Classic Moneta Moonphase“ mit 37 Millimetern Durchmesser kommt ebenfalls hervorragend an.

„Classics Carrée Small Seconds“
„Classics Carrée Small Seconds“

Und von den Neuheiten in diesem Jahr wird es sicher eine ganz besondere Damenuhr in den Bestseller-Club schaffen, die wir aber erst im Herbst auf den Markt bringen werden. Das Feedback, welches wir bislang hier auf der Watches & Wonders bekommen haben, ist außergewöhnlich gut.

Und dann ist da natürlich unsere neue „Classic Perpetual Calendar Manufacture“ mit lachsfarbenem Zifferblatt, verkleinertem 40-Millimeter-Gehäuse und unserem 34. Manufakturkaliber FC-776 mit Automatikaufzug und 72 Stunden Gangreserve. Diese Uhr zu verkaufen, wird ein Kinderspiel sein. Anspruchsvolle Technik, beste Verarbeitung und ein wunderschönes Design – all das ist für unter 10.000 € erhältlich. Ein echter Hammerpreis, wie es für Frederique Constant üblich ist.

„Classic Perpetual Calendar Manufacture“
„Classic Perpetual Calendar Manufacture“

IL: Wie läuft es eigentlich aktuell in der Manufaktur hinsichtlich Nachwuchskräfte. Schließlich müssen Sie ja die von Ihnen erwartete zunehmende Nachfrage in Zukunft auch bedienen können.

NE: Es ist hinsichtlich der jüngeren Generation tatsächlich eine Herausforderung. Da wird schon mal gerne ein hohes Gehalt bei viel Freizeit und niedriger Arbeitsbelastung gefordert. Manchmal frage ich mich, wie wir die Aufgaben unserer Zeit mit dieser Generation meistern können. Und dann frage ich mich, was meine Generation möglicherweise falsch gemachthat.

In jedem Fall muss man die veränderte Erwartungshaltung an das Berufsleben bei seiner Strategie berücksichtigen. Das ist im Fall von Frederique Constant gar nicht so einfach, da wir bereits moderate Margen haben.

Nachwuchs und Fachkräfte – das ist für die gesamte Uhrenbranche eine der großen Herausforderungen der nahen Zukunft.

IL: Hilft es dabei, Teil einer großen Gruppe zu sein? In Ihrem Fall der japanischen Citizen Group.

NE: Ja, wobei es eher um Synergien mit den Schweizer Tochterunternehmen geht, allen voran dem Uhrwerke-Spezialisten La Joux-Perret. Hier werden wir in den kommenden Jahren noch mehr Know-how und Innovationen in verschiedenen Bereichen bündeln, um noch innovativer zu werden.

IL: Zuletzt eine persönliche Frage. Bei der Vorbereitung auf dieses Gespräch bin ich auf ein Interview mit Ihnen von 2019 gestoßen. Dort sagten Sie, dass Sie davon träumen, mit 50 Jahren ein Hotel zu eröffnen. Besteht der Traum noch immer? Sie haben bis dahin ja noch ein paar Jahre Zeit.

NE: Ja, diesen Traum teile ich noch immer mit meiner Frau. So ein kleines Boutique-Hotel, das wäre toll.

Wissen Sie, ich bin jetzt seit acht Jahren CEO bei Frederique Constant. Wir haben eine sehr flache Hierarchie und eine eher wissensorientierte Unternehmenskultur, in der nicht alles streng durchorganisiert ist und immer nach demselben Muster abläuft. Ich habe einen sehr hohen Arbeitsrhythmus, stehe früh auf, treffe gefühlt jeden Tag hunderte Entscheidungen und nehme morgens ein Eisbad, um Energie zu tanken.

Da ist der Gedanke an ein eigenes kleines Hotel mit entspannten Gästen in einer schönen Umgebung eine wunderbare Vorstellung. Man hat immer Träume, und wer weiß …

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