Konsumtrends und Style: Alles Vintage oder was?
Ein Trend in der Welt des Schmucks läuft unter dem Namen „Vintage“. Ich argumentiere, dass das nicht nur eine Laune der Nostalgie ist – es steckt mehr dahinter. Ein Blick in die Textilindustrie kann Aufschluss geben.
Links: Omas Schmuckdose mit Perlenkette. Vintage-Schmuck ist in. © Anna Stampfli/ Unsplash.com
Konsum: Wohin geht es?
Wohin entwickelt sich die Wirtschaft? Was werden meine Kunden zukünftig kaufen? Wie soll ich mich auf die Zukunft vorbereiten? Wir alle hätten manchmal gerne eine Glaskugel, um in die Zukunft zu sehen und uns vorzubereiten auf das, was da kommt. Deutschland befindet sich gerade in einer Rezension – die zwar momentan leicht abflauen scheint, doch gesichert ist eben nichts.
Gibt es in der Schmuckwelt wenigstens ein paar Anhaltspunkte, an denen man sich orientieren kann? Ja, die gibt es auf jeden Fall. Die aktuellen Entwicklungen in der Textilmode-Industrie können darüber Aufschluss geben, was Konsumenten im Moment bewegt.

Entwicklung: Der Seondhand-Markt wächst
Ein Blick in den europäischen Markt für Textilmode.: Secondhand ist dort schon seit Jahren auf dem Vormarsch. KPMG, eine international agierende Unternehmensberatung mit Hauptsitz in den Niederlanden, hat für den französischen Verband für Kreislaufmode eine Studie durchgeführt. Demnach könnte der Markt für Secondhand-Mode in Europa in den nächsten fünf Jahren ein Volumen von 26 Milliarden Euro erreichen. Zum Vergleich: Im Moment liegt er bei 15,9 Milliarden. Das entspricht einem jährlichen Durchschnittswachstum von 8,5 Prozent.
In Spanien rechnet man mit einem Durchschnittswachstum von 8,1 Prozent zwischen 2024 und 2034. In Italien sind es geschätzte 7,4 Prozent und in Deutschland immerhin noch durchschnittlich 5,4 Prozent. Getrieben wird diese Entwicklung durch Preisbewusstsein und das Thema Nachhaltigkeit. Laut Angaben von KPMG verlängert der Kauf von Secondhand-Mode die Lebensdauer der Kleidungsstücke um 2,2 Jahre.
Welche Schlüsse kann man daraus ziehen: Der Kauf von Kleidungsstücken, die bereits einen Vorbesitzer hatten, wird für viele Menschen zur Gewohnheit. Es schont den Geldbeutel – was wunderbar zu unserer wirtschaftlichen Situation passt – und trägt zu einem guten Gewissen bei, die Umwelt ein wenig geschont zu haben.
„Vintage“-Anfragen bei eBay und Erfolge bei Vinted
Noch mehr Beweise, dass es hier einen eindeutigen Trend gibt, gefällig? Ähnliches gibt es nämlich auch bei eBay zu beobachten:. Der Online-Marktplatz hat seine erste Watchlist-Trendstudie veröffentlicht. Sie besagt, dass im Jahr 2024 fast 40 Prozent der Kleidungsstücke, Schuhe und Accessoires, die verkauft wurden, der Kategorie „Secondhand“ angehörten. Pro Minute gingen bei eBay außerdem 1.200 Suchanfragen mit dem Begriff „Vintage“ ein. Diese Ergebnisse basieren auf dem Echtzeit-Einkaufsverhalten von 134 Millionen eBay-Nutzern aus einem Pool von 2,3 Millionen Angeboten.
Die Secondhand-App Vinted verzeichnete 2024 ein Umsatzplus von 330 Prozent.
Die inzwischen sehr populäre Secondhand-App Vinted macht ebenfalls Höhenflüge und hat für 2024 einen Umsatz von 813,4 Euro gemeldet. Das entspricht einem Netto-Gewinn von gigantischen 330 Prozent. Laut Auskünften des litauischen Unternehmens ist der Erfolg zum Teil auch auf die Einführung zweier neuer Produktkategorien zurückzuführen: Hightech- und Luxus-Artikel. „Luxus“ ist hier das Stichwort, auf den ich den Fokus legen möchte.
Schmucktrend: vintage und hochwertig
So, und nach dieser Exkursion nun zurück zum Schmuck. Ich will versuchen, eine Brücke zwischen der eben dargelegten Entwicklung bei eBay, Vinted und Co. und zeigen, wie diese Trends sich in der Schmuckwelt niederschlagen. Die Treiber sind wie bereits erwähnt die Faktoren des Kostenpunktes und von Nachhaltigkeit.
Das Thema Vintage allgemein ist auch eines, dass den Schmuck seit ein paar Jahren begleitet und auch dieses Jahr wieder zu einem Trend erklärt wurde. Natürlich zählen dazu nicht nur echte Vintage-Stücke, die aus vergangenen Jahrzehnten stammen, sondern neue Kreationen, die in einem Vintage-Style gehalten sind. Zuletzt waren die 70er und 80er sehr beliebt und derzeit entdeckt man viele Designs, die sich am Art Déco Stil orientieren, der die 1920er- und 30er- dominierte. Diese Trends öffnet die Türen, „altem“ Schmuck, den man schon zuhause hat, zu neuem Glanz zu verhelfen.


Gar nichts neu zu kaufen und lieber mal tiefer in der Schmuckschatulle zu graben, ist natürlich der kostengünstigste und nachhaltigste Trend, den man sich vorstellen kann. Wie viele Menschen das tun, ist allerdings schwer messbar.
Eine Alternative ist es, Vintage-Schmuck zu kaufen. Dadurch erhält man ein meist hochwertiges Produkt zu einem günstigeren Preis – mit einem Vorbehalt allerdings: Echte Vintage-Schätze findet man oft bei Auktionen oder Online-Plattform, die die Stücke oft ebenfalls versteigern. Die Jagd nach besonderen Schätzen erfordert dann ein gewisses Know-How, Geduld, Geschick und Glück beim Bieten – diese Art, Schmuck zu kaufen, ist nicht so einfach zugänglich. Wie vertrauenswürdig Online-Plattformen sind, echten Vintage-Schmuck zum Sofortkauf anbieten, kann ich nicht sagen. Ich persönlich habe mich aber noch nicht an das Thema herangetraut. Vielleicht geht es vielen ähnlich.
Alten Schmuck salonfähig machen
Der Vintage-Trend macht alten Schmuck wieder salonfähig und bietet damit den Anreiz, alte Stücke zu reparieren oder umarbeiten zu lassen. Die Voraussetzung dafür ist, dass es sich um hochwertige Materialien handelt – bei Gold bedeutet das eine Legierung in der Qualität von mindestens 14 Karat. Es ist gut möglich, dass das Bewusstsein für eine spätere Zukunft des Schmucks bei den Menschen gestiegen ist – denn spätestens seit Corona ist auch zu beobachten, dass die Menschen immer hochwertiger einkaufen, dafür aber auch seltener.
Echter Schmuck ist haltbarer, erhält seinen Wert und kann später vererbt, umgearbeitet oder verkauft werden. Vorsicht aber, wenn man den Schmuck als Investitionsstück sehen möchte. Der hohe Preis für so manchen Schmuck entsteht durch das Design oder den Namen der Marke, von der er stammt. Im Zweifelsfall zählt am Ende nur der Materialwert und der Schmuck muss leider doch mit Verlust verkauft werden. Ein Weg, echten Schmuck zu genießen und das Geld sinnvoll auszugeben, ist einen Goldschmied zu beauftragen oder Ware aus der Goldschmiede eines Juweliers zu erwerben. Passend dazu ist das Interview mit Goldschmiedemeister Rainer Fein.
Fakt ist: echter Schmuck ist per se ein sehr nachhaltiges Produkt, das bei ordentlicher Handhabung die Lebensspanne einer Textilie um ein Vielfaches überdauert. Angelaufenes Silber kann gereinigt, Kleinteile wie Ösen oder Fassungen können repariert und Steine können umgeschliffen werden. Bonuspunkte: Mit dem Gang zum Goldschmied unterstützt man auch noch ein kleines Unternehmen und keinen großen Konzern – die sind vielen Menschen der jüngeren Generation ja inzwischen auch ein Dorn im Auge.
Es heißt, Trends entstehen nicht nur durch geänderte Bedürfnisse – die Rezession steigert in jedem Fall das Bedürfnis nach „value for money“ und kostengünstigen Optionen – sondern auch durch gezielte Marketing-Aktionen. In diesem Fall glaube ich, das Marketing der ganz Großen ist auf einen Zug aufgesprungen, den Konsumenten vorgemacht haben. Zumindest in der Textilmode ist das Stöbern nach alten Designs und coolen Vintage-Pieces im Laden an der Ecke auch mit einer gewissen Romantik und Nostalgie verbunden.
Wenn gutes und nachhaltiges Konsumverhalten auf Schönheit und Sinnhaftigkeit trifft, dann hat es das Zeug, zu einem Trend zu werden, der uns noch lange begleitet. Was es braucht, um diesem Trend auf den Weg zu helfen, ist Aufklärung. Darüber, was ein echtes Schmuckstück ausmacht, im Vergleich zu günstigem Modeschmuck. Darüber, wer die vertrauensvollen Ansprechpartner sind – und dass diese oft eher stationär zu finden sind als online.