Rolex-Kündigungen in Deutschland: Ersetzt Bucherer über kurz oder lang den klassischen Juwelier?

Diese Frage hat sich Rob Corder von WatchPro gestellt und in seiner Kolumne beantwortet. Hintergrund ist die von Rolex gegenüber Insight Luxury bestätigte Beendigung der Zusammenarbeit mit Juwelier Rüschenbeck zum Ende nächsten Jahres und die zugleich kolportierten Kündigungen weiterer autorisierter Händler in Deutschland. Von insgesamt 40 PoS ist die Rede, die bis zum Ende dieses Jahres ihre Lizenz verlieren sollen.

Derzeit werden auf der Rolex-Website gut 100 Juweliers-PoS in Deutschland aufgelistet – inklusive der Bucherer-Filialen – acht Mal taucht Rüschenbeck auf.

Von Rolex gibt es über Rüschenbeck hinaus keine offizielle Stellungnahme zu einer Kündigungswelle in Deutschland. Das Schweizer Magazin Bilanz hat daher den Branchenexperten Oliver Müller gefragt: „Rolex schließt in Deutschland bis zu 40 Standorte. Haben Sie das erwartet?“ Seine Antwort: „Natürlich.“ Die Antwort war erwartbar, hatte Müller doch bereits 2015 prophezeit, dass die Marke mit der Krone den Vertrieb früher oder später selbst übernehmen würde: volle Marge bei voller Kontrolle.

2023 schließlich kaufte Rolex die international tätige Juwelierskette Bucherer. Und damit den weltweit größten Uhrenhändler. Bis dahin führte man gerade mal ein einziges Geschäft in Eigenregie, und zwar am Hauptsitz in Genf.

„Rolex hat in den letzten fünf Jahren das Händlernetz bereits um zirka 20 Prozent auf aktuell 1.240 Verkaufsstellen reduziert“, zitiert die Handelszeitung Oliver Müller. Und es werden noch weniger, ist sich der Branchenkenner sicher. Maximal 800 Verkaufspunkte werden übrig bleiben, glaubt Müller: „Gut die Hälfte davon in Eigenregie.“

In Düsseldorf an der Luxusshoppingmeile Königsallee – wo auch Rüschenbeck ein Geschäft betreibt – wird es möglicherweise bald so weit sein. Dort hat die Rolex Immobilien GmbH die Einheiten 52-54 gekauft.

War es das für den klassischen Juwelier als Rolex-Händler?

Wird Rolex das Geschäft zukünftig allein beziehungsweise einzig über die Tochter Bucherer abwickeln? Rob Corder von WatchPro meint: Nein! Zumindest die großen und die guten Juweliere haben nichts zu befürchten. Er ist sich sicher:

„Das zu Rolex gehörende Unternehmen Bucherer wird kein globales Netzwerk der besten Juweliere ersetzen.“

Damit ordnet er die geschilderten Fakten und Vermutungen anders ein als die meisten anderen Marktbeobachter: „Aus diesen Fakten und den Spekulationen über die Schließung von 40 Rolex-Filialen schließen Kommentatoren, dass Rolex sein Großhandelsmodell aufgibt, das derzeit 92 Prozent des weltweiten Umsatzes ausmacht. Die restlichen acht Prozent werden über Bucherer abgewickelt, das zu 100 Prozent in Rolex-Besitz ist“, schreibt er in seiner Kolumne für WatchPro UK und betont: „Ich stimme dem nicht zu.“

Er geht davon aus, dass Rolex durch die Erfahrungen mit Bucherer gelernt hat, dass das Einzelhandelsgeschäft kein einfaches ist, für das man sein erfolgreiches Großhandelsmodell und die Partnerschaften mit den weltweit besten Luxusjuwelieren und Uhrenhändlern so einfach aufgeben sollte.

Rolex in den USA und Großbritannien

„In Großbritannien und den USA, den beiden Märkten, die ich am besten kenne, scheint Rolex gelernt zu haben, dass der Einzelhandel eine hoch spezialisierte Disziplin ist, die man am besten den Experten überlässt. Er ist teuer, kompliziert, unglaublich wettbewerbsintensiv und erfordert ständige Investitionen, um nicht nur mit konkurrierenden Juwelieren, sondern auch mit allen anderen Luxusunternehmen, die um das Geld derselben Kunden buhlen, Schritt zu halten“, erläutert Corder.

Und er rechnet vor, dass Bucherer unter Rolex in den USA Marktanteile verloren habe, unter anderem an den Uhrenhändler Watches of Switzerland, welcher in den USA fast 50 PoS betreibt, darunter Monomarken, WOSG-Boutiquen, Mayors und Betteridge.

„Und Rolex sieht das offenbar gerne, sonst hätte das Unternehmen die Produktzuteilung auf den eigenen Juwelier verlagert und das Wachstum der Konkurrenz blockiert.“

Das gilt auch für unabhängige Familienunternehmen, die ihre Investitionen in Rolex enorm erhöht haben, so Corder: „Unternehmen wie London Jewelers, The 1916 Company, Reeds, Polacheck, Hing Wa Lee, Geary’s, De Boulle, Eiseman und viele mehr haben ihr Rolex-Angebot modernisiert und erweitert.“

Rolex errichtet derzeit einen neuen Hauptsitz an der 5th Avenue in New York, der ab 2027 eine der weltweit größten Rolex-Boutiquen beherbergen soll. Wahrscheinlich wird Bucherer die Führung übernehmen, doch eine Bestätigung steht noch aus. Derzeit betreibt Bucherer 33 Filialen in den USA, darunter Monomarken-Boutiquen, Bucherer selbst und die verbleibenden Tourneau-Geschäfte (Bucherer hat den Uhrenhändler 2018 gekauft).

Rob Corder Zeichnung

In Großbritannien beobachtet Rob Corder eine ähnliche Entwicklung.

„Seit der Jahrhundertwende hat sich der Rolex-Vertrieb in Großbritannien stark verändert, zahlreiche Geschäfte mussten schließen. Berry’s in Leeds verlor die Marke 2012. Ernest Jones, Eigentümer von Signet Jewelers, verlor die Marke und im selben Jahr. Fraser Hart und Rolex trennten sich 2019. Wempe wurde 2023 fallengelassen. Dies sind allesamt große Einzelhändler, ähnlich groß wie Juwelier Rüschenbeck, doch der Verlust von Rolex führte nie zu einem Gewinn für Bucherer.“

Wenn Juweliere jetzt ihre Rolex-Lizenz verlieren, so seine Schlussfolgerung, liegt es an der falschen Lage oder daran, dass sie die Marke nicht so präsentieren, „wie sie es heute verlangt. Deshalb werden sie geschlossen, und das steht ganz im Einklang mit Rolex‘ langjährigem Engagement, mit den besten Einzelhandelspartnern der Welt zusammenzuarbeiten.“

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