Kolumne: Schöne, heile Watches-&-Wonders-Welt – mit kleinen Rissen
Wenn auch nur Haarrisse. Aber sie sind immerhin so sichtbar, dass man über sie spricht. Auch in der Glamour-Blase der Watches & Wonders 2025 in den Palexpo-Hallen, in die kein Tageslicht reicht. Und gefühlt auch kaum eine Nachricht aus der Außenwelt wirklich Relevanz hat.
Zugegeben, beim Navigieren von einem Stand zum anderen beziehungsweise von einer sogenannten Touch-&-Try-Session zur nächsten, kann man fast vergessen, dass es ein Da-Draußen gibt.
Eigentlich ist alles schön: die Stände, das Catering, die Getränkeversorgung, der nicht abreißende Strom von Shuttles (die drei letzten Punkte gar kostenlos) und natürlich zahllose prächtige Uhren, denen man die aktuell eher triste Weltlage nicht ansieht.
Neue Technologien, neue Materialien, Edelsteinfunkeln satt – die Schweizer Upper-Uhrenwelt (zwischenzeitlich gespickt mit Marken anderer Provenienz) verkauft sich in Genf wieder einmal ganz selbstbewusst von ihrer besten Seite.

Und hielt an dieser Praxis auch unbeirrt fest, als die Zollpläne in die heiligen Palexpo-Hallen und die dortigen Gespräche durchsickerten. Spätestens am Morgen des dritten Messetags war klar, dass die USA tatsächlich ihre angekündigten, aberwitzigen Zoll-Pläne in die Tat umsetzen würden – und die Schweiz trifft es dabei besonders hart.
Denn die USA sind das wichtigste Exportland für die Nicht-EU-Nation. Und nun werden ab dem 9. April auf Wunsch des US-Präsidenten 31 Prozent (mittlerweile ist auch eine Liste mit 32 Prozent aufgetaucht) Strafzoll auf alle Waren erhoben, die den Weg aus dem Alpen- ins Trump-Land finden. Auf Waren aus der EU werden „nur“ 20 Prozent erhoben. In etwa mit diesem Schweiz-Aufschlag hatten wohl die meisten gerechnet, aber auch, dass es eine etwas längere Vorlaufzeit gegeben hätte.
„Unsere Lager sind derzeit leer, wie meistens Anfang Monat“, erläutert Edouard Meylan, Inhaber von Moser & Cie, gegenüber der NZZ die Lage in den USA. In der Konsequenz, so die Schweizer Tageszeitung, würden einige Marken versuchen, „kurzfristig möglichst viele Stücke aus anderen Weltgegenden in die USA zu verschieben. Ähnliches berichten auch die CEO anderer Marken – von Jungfirmen wie Norqain bis zu Branchenschwergewichten wie TAG Heuer.“ Das ist natürlich keine langfristige Lösung.
Durchwachsene Ausgangslage
Mit einem Minus von 2,8 Prozent kann das Exportjahr 2024 der Schweizer Uhrenindustrie als durchwachsen bezeichnet werden. Die dauerschwächelnde Nachfrage im chinesischen Markt konnte zeitweilig aufgrund des schwachen Yen in Japan, aber auch ausgerechnet im US-amerikanischen Markt einigermaßen wettgemacht werden. Die wertmäßigen Exporte nach Japan legten im vergangenen Jahr um 7,8 Prozent und in die USA um 5 Prozent zu.
Klingt gut, scheint aber nur so. Denn zum Ende des Jahres 2024 trübten sich die Zahlen bereits ein. Das wertmäßige Overall-Minus im Dezember vergangenen Jahres betrug gegenüber dem Dezember 2023 5,4 Prozent. Während sich das Export-Minus in den USA mit einem einzigen Prozent Rückgang noch moderat ausnahm, rauschten die Exporte nach Japan wertmäßig im letzten Dezember um 12,7 Prozent runter.
Nach einer leichten Erholung im ersten Monat des laufenden Jahres – USA und Japan performten sehr gut – war die Freude im Februar schon wieder vorbei. Das weltweite Export-Minus belief sich im Vergleich zum Vorjahresmonat auf 6,6 Prozent, die USA-Exporte sanken um 6,7, und nach Japan hieß es minus 19,1 Prozent.
Mit Trump brechen neue Weltzeiten an
Am 20. Februar wurde schließlich Donald Trump zum zweiten Mal als US-Präsident vereidigt und startete seine große Aufräumaktion. Sein Gebaren samt seiner um sich gescharrten Regierungs-Crew von Groupies geriert sich dabei weitaus unberechenbarer, lauter und rücksichtsloser als ohnehin befürchtet.
Und dann platzten am Donnerstag die Strafzoll-Pläne mitten in die vibrierenden, mit gut gelaunten und versorgten Menschen gefüllten Palexpo-Hallen. Aber außer uns Journalisten wollte in der schillernden Watches-&-Wonders-Blase zunächst eigentlich niemand wirklich über diese Strafmaßnahme sprechen.
Abwarten. Wir werden das beobachten. Unsere Kunden können reisen und überall auf der Welt unsere Uhren kaufen. … Mehr ließen sich die Aussteller nicht entlocken – wenn überhaupt etwas kam.
Einige etwas realistischere Antworten gab es dann doch noch. Und diese besagten, dass man durchaus damit rechnen müsse, dass der ein oder andere Kauf eines Luxusguts – auch im sehr hochpreisigen Bereich – in der aktuell angespannten Zeit mit einem Handelskrieg am Horizont – möglicherweise verschoben werden könnte.
Heißt aber nichts anderes, als dass insgesamt weniger Luxus gekauft wird. Wer jetzt keine Rolex kauft, wird in einem halben Jahr nicht zwei kaufen – auch die Menschen nicht, die es sich leisten könnten. Aus dem einfachen Grund, weil man im Grunde gar keine Rolex oder Luxusuhr benötigt.
Da kann man so viel kostenlosen Champagner trinken, wie man will – ja, den gibt es zumindest während der nicht öffentlichen Tage tatsächlich auf der Watches & Wonders – schöner wird die Luxus-Uhrenwelt dadurch leider nicht.
Glauben Sie mir: Wenn ich daran glauben würde, hätte ich es versucht!
So aber erinnerten mich die kurzen Blicke in die weniger glamourösen Abstell- und Lagerräume durch den ein oder anderen Vorhang- und Türschlitz auf dem Weg zu den mitunter erforderlichen Service-Einrichtungen (nach dem Genuss von Champagner genauso wie von stillem Wasser) daran, dass die Welt da draußen mittlerweile ihre Fühler durch kleine Haarrisse in die noch standhaltende Luxusblase ausgestreckt hat.
Ignorieren kann man dies nicht mehr.
Wie wird die Schweizer Uhrenbranche reagieren?
„Sie passt die Preise an und hofft, dass die Leute ihre Produkte weiterhin kaufen.“
Das sagte Oliver Müller, Branchenexperte und Gründer von LuxeConsult, gegenüber dem Schweizer Magazin watso, über die Luxusuhrenindustrie.
Eine über 30-prozentige Preiserhöhung ist natürlich undenkbar, somit kann dieses Mittel nur ein Teil der Lösung sein – wenn das Upgrade der Preise überhaupt akzeptiert werden wird. Geringere Margen werden nicht ausbleiben und müssen wohl auch von der diesbezüglich verwöhnten Luxusuhrenindustrie hingenommen werden.
Breitling-Chef Georges Kern zeigt sich noch entspannt und wird von der nau.ch damit zitiert, dass die Zölle „offensichtlich nicht hilfreich“ seien. Er würde aber davon ausgehen, dass nicht so heiß gegessen wie gekocht werde.
Pragmatischer äußert sich wiederum Edouard Meylan von der Marke Moser & Cie., welche fast ein Drittel seiner Jahresproduktion von etwa 3.500 Uhren in Asien, den USA und Europa verkauft, gegenüber dem Schweizer Medienunternehmen srf. Er kann sich vorstellen, aufgrund der Zölle zukünftig an seinen Servicestandorten in den USA seine Uhren montieren zu lassen.
Und Mario Peserico, General Manager von Eberhard & Co., sieht sich laut srf in seiner Strategie bestätigt, anstelle auf die USA oder China, stets auf Europa gesetzt zu haben.
Und dann gibt es ja noch das Szenario, dass sich die Wankelmütigkeit Trumps Bahn bricht und er in wenigen Tagen nichts mehr von seiner jüngsten Zoll-Entscheidung wissen will – und andere „Deals“ ins Visier nimmt. Zumal es in den USA keine vergleichbare Produktion von Luxusuhren gibt, mit denen die Swiss-Made-Marken konkurrieren.
Wie heißt es so schön: Die Hoffnung stirbt zuletzt – auch in der Schweiz.
Wie die Uhrenhersteller im unteren und mittleren Preissegment mit den Strafzöllen umgehen werden, steht übrigens auf einem ganz anderen Blatt. Relevante Preiserhöhungen sind dort ein rotes Tuch, denn die potenzielle Käuferschaft wird sich aufgrund begrenzterer finanzieller Mittel im Vergleich zum Luxuskonsumenten in unsicheren Zeiten wie diesen einmal mehr ganz genau überlegen, wofür diese ausgegeben werden.