Kolumne: US-Zölle – die Schweizer Uhrenindustrie und das laute Schweigen
Ob angesichts der chaotisch anmutenden Zollpolitik von US-Präsident Donald Trump alle Schweizer Uhrenchefs so vermeintlich tiefenentspannt bleiben wie Breitling-CEO Georges Kern, ist fraglich.
„Ich bin nun 60 Jahre alt, habe alles gesehen, jede Krise, jedes Board, jede Aufregung. In Panik verfalle ich auf jeden Fall nicht“, sagte er kürzlich in einem Interview mit der Schweizer Handelszeitung.
Konkret angesprochen auf die im Raum stehenden 31 Prozent Zoll auf alle aus der Schweiz in die Vereinigten Staaten eingeführten Waren, meint er: „Offensichtlich sind Zölle nicht hilfreich. Es ist aber davon auszugehen, dass nicht so heiß gegessen wie gekocht wird.“
Möglicherweise hat Kern recht, ist einfach nur gut vorbereitet oder – wie er selbst andeutet – einfach mit allen Wassern gewaschen. Und er glaubt zugleich unverbrüchlich an die anhaltende Attraktivität Schweizer Luxusuhren.
„Es ist eine schwierige Situation, aber es wäre falsch, nun wie die Maus vor der Schlange zu erstarren. Jetzt kommt es darauf an, dass man trotz allem die Strategie verfolgt, an die man glaubt, und sich gut aufstellt. Wenn sich die Zeiten wieder ändern – und das werden sie –, ist man dann bereit, wieder stärken zu wachsen“, ordnet er im Handelszeitungs-Interview die aktuelle Situation ein.
Nicht vergessen sollte man dabei, dass die Nachfrage auf dem wichtigen chinesischen Markt seit geraumer Zeit schwächelt. Die USA, die zeitweilig als Exportnation für Schweizer Uhren bestens in die Bresche der Nachfrage-Delle sprangen, entwickeln sich in den zurückliegenden Monaten zudem eher unberechenbar. Ähnlich wie beim US-Präsidenten kann man sich nicht auf eine klare Richtung verlassen – auch ohne Mega-Zölle.
Aber was ist denn eigentlich der Stand der Dinge in puncto Schweiz und Trumps US-Zoll-Hammer?
Aktuell sind die am sogenannten Liberations Day von Donald Trump in die Welt und in die Schweiz posaunten Zoll-Androhungen für die Schweiz bis zum 9. Juli ausgesetzt.
Derweil übt sich die Alpen-Republik in der Hoffnung auf rasche Lösungen – oder Deals – à la China und Großbritannien und setzt auf Verhandlungen mit den USA.
So sei eine schnelle Lösung „im Interesse beider Länder“, sagte die Schweizer Finanzministerin Karin Keller-Sutter am vergangenen Freitag, wie das Magazin Watson gestern berichtete.
Ihr US-Amtskollege Scott Bessent stellte am Montag klar: „Großbritannien und die Schweiz haben sich am Anfang der Schlange für ein Handelsabkommen eingereiht, während die EU viel langsamer war.“
Aber das Prinzip Hoffnung allein wird nicht genügen, wenn es am Ende doch so heiß gegessen wird, wie es angekündigt wurde – um auf den Gemütszustand von Georges Kern zurückzukommen.
Ob man bei einer möglichen Zoll-Erhöhung – in welchem Ausmaß auch immer – die steigenden Kosten paritätisch verteilen können wird, ist sicher eine Wunschvorstellung, aber auch sehr ambitioniert optimistisch. Auch Luxuskäufer werden zunehmend preisbewusst.
Die Lastenverteilung – Senkung der Marge von Marke und Einzelhändler beziehungsweise Distributor und Preiserhöhungen für den Endkunden – ist denkbar. Aber ist sie realistisch? Auch Luxuskäufer werden zunehmend preisbewusst.
Von einer Strategie der Schweizer Uhrenkonzerne ist weit und breit nichts zu hören. Die Branche übt sich in einer ihrer besten Disziplinen: lautes Schweigen.
Verlässt man sich auf die Vermutungen einiger Analysten, dass die Luxusnachfrage auf dem chinesischen Markt wieder anziehen wird? Dass der riesige Markt Indien wirklich im Kommen ist? Und dass der Nahe Osten stabil bleibt?
Ob das angesichts des insgesamt sich abkühlenden weltweiten Luxusmarktes reichen wird?